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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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hübsches, weißes Kleid, das jedoch an manchen Stellen Schwefelflecken hatte.
    Dann sah ich ihre Gesichter. Der Bräutigam hatte Barbara Castlemaines Gesicht und die Braut Celias. Nachdem der Pfarrer einige Gebete gesprochen hatte und sie einige zustimmende Worte gemurmelt hatten, fingen die beiden an, dort, vor allen Leuten, ihre Kleider auszuziehen und sie ungeduldig auf die Seite zu werfen. Jetzt sah ich, daß es wirklich die zwei Frauen waren, die der Pfarrer »verheiratet« hatte. Sie fingen nun richtig an, Bräutigam und Braut zu spielen, küßten sich und berührten einander unanständig an den Geschlechtsteilen, und der König und seine Königin und wir alle schauten zu und applaudierten gelegentlich, so als wären wir in einer Theateraufführung. Und Sir Rupert lehnte sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: »Ihr seht, was aus der Ehe geworden ist. Es ist das daraus geworden, was wir aus ihr gemacht haben.«
    Ich wachte auf, sehr heiß und unruhig, und legte, um mich ein wenig zu trösten, meine Hand auf meinen Schwanz.
     
    Nach dieser Nacht dämmerte mir die Erkenntnis, daß ich von dem Heilwasser von Bath nicht allzuviel erwarten durf
te. Ich fühlte mich von diesem Ort nicht gereinigt, sondern angewidert und erstickt. Der Anblick der Männerkörper – viele von ihnen alt und gelähmt, einige anscheinend an Syphilis erkrankt – konnte nicht dazu beitragen, das Wasser zu lieben. Und ich war es auch bald leid zu beobachten, wie die Frauen sich in ihren gelben Ballons hinhockten. Ich fand sie äußerst närrisch und jämmerlich. Rosie Pierpoint hatte mehr Grazie als sie.
    So bezahlte ich John Sweet mein Quartier und verbeugte mich vor seiner Frau, wobei ich ihr Komplimente über ihren Gesang machte. Dann gab ich drei Pence pro Meile dafür aus, daß mich die Postpferde zurück nach London brachten. Als ich dort ankam, sah ich etwas, worauf ich in Bath nicht geachtet hatte: Es war Frühling geworden. Der Kastanienbaum im Garten der »Leg Tavern« hatte dicke Knospen, im Gras wuchs Schellkraut, und die Luft war nicht mehr so frisch wie in jener Nacht, als ich zum Tower gegangen war. Ich besuchte meinen Buchhändler und sah in dessen Almanach, daß der März angefangen hatte. »Wo ich am Ende des Monats sein werde«, sagte ich zu ihm, »weiß ich noch nicht.«
    Ich war kaum zwei Tage im »Leg«, als auch schon mein Stallbursche mit Danseuse ankam.
    Mann und Tier schienen müde und etwas steif zu sein, aber meine Freude über ihre Ankunft war so groß, daß ich für ein paar Stunden zu so etwas wie Zufriedenheit zurückfand. Als ich jedoch am Abend auf meinem Bett alle Besitztümer ausbreitete, die mir auf Erden noch geblieben waren, und als ich sah, was es war, trat mir der Angstschweiß auf die Stirn, denn es war mir klar, daß niemand damit überleben konnte. Ich besaß jetzt noch folgendes:
     
    meinen Kasten mit dem Chirurgiebesteck,
    meine Oboe,
    einige Notenblätter,
    einige Malpinsel und Farbkästen,
    mehrere grellbunte Anzüge aus Taft und Seide,
    eine größere Menge farbiger Strümpfe und Spitzenhemden,
    drei Perücken,
    vier Paar Handschuhe, die mein Vater gefertigt hatte,
    mein Set gestreifter Tafelservietten,
    einen Federkiel, den mir Violet Bathurst geschenkt hatte,
    einige Nachthemden und eine Schlafmütze,
    vier Paar hochhackige Schuhe,
    zwei Briefe vom König, mit einem Band zusammengebunden,
    meine Bibel, sehr abgegriffen und mit Anmerkungen versehen,
    ein Rezept für Rosinenkuchen mit Flecken von Cattleburys Tränen,
    einen einzelnen Pelzüberwurf,
    zwei Geldbörsen: eine japanische mit 30 Shilling und eine lederne mit 47 20-Shilling-Münzen.
     
    Dank meiner Kleidung würde ich noch nicht arm erscheinen, und solange mir niemand die 20-Shilling-Münzen raubte, würde ich, zumindest für einige Zeit, auch noch keine Armut kennenlernen. Und dennoch: Es war nicht zu übersehen, daß ich unweigerlich eines Tages mittellos sein würde.
    Andere Männer, die sich mit dem Gedanken, in Ungnade gefallen zu sein, auseinandersetzen mußten, haben ihren Tiefstand als Sprungbrett für einen Neubeginn benutzt. Doch heutzutage kann man sein Glück nur bei Hofe machen. Ob
Bemühungen gefördert oder zunichte gemacht werden, hängt einzig und allein davon ab, ob sie in Whitehall Wohlwollen finden oder nicht – und das gilt sogar für bescheidene Handschuhmacher, wie mein Vater einer war. Selbst gemeine Kahnfahrer – wie der verstorbene Pierpoint – spüren in dem neuen geschäftigen Treiben

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