Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
mit ihren warmen Ausdünstungen und ihrem Gebrabbel wäre das hier nicht auszuhalten.
«Und jetzt?», fragte Salvia, der neben Guerrini am Tresen lehnte. «Worüber reden wir? Welche Tipps brauchst du von mir?»
«Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass die Bars in unserem Land immer kälter und unbewohnbarer werden», erwiderte Guerrini.
«Großartige Erkenntnis!»
«Entschuldige, ich bin vielleicht zur Zeit nicht besonders originell.»
«Ist dir wirklich noch nie aufgefallen, dass wir uns seit Jahren im Würgegriff der Designer befinden? Und das hat einen Grund: Design ist so ziemlich das Einzige, was wir erfolgreich exportieren!»
«Hältst du mich für blöd oder was? Natürlich ist mir das klar. Trotzdem nehme ich es nicht einfach hin, dass mir beim Trinken eines Caffè innerlich kalt wird. Gott segne diese alten Männer.»
Salvia lachte und biss so kräftig in sein Hörnchen, dass die Vanillecreme auf sein Kinn tropfte. Mit einer Papierserviette säuberte er sich, leckte seine Lippen und sah Guerrini ernst an.
«Abgesehen von deinen philosophischen Gedanken zur italienischen Barkultur … gibt es sonst noch was? Ich muss nämlich zurück. Da warten noch ein paar Leichen auf mich.»
«Entschuldige, Eliseo. Nur eine Frage: Hältst du es für möglich, dass ein angesehener Bankdirektor einen deutschen Kollegen vergiftet, anschließend verprügelt und in seinem Park vergräbt?»
Eliseo Salvia legte den Kopf in den Nacken, sandte einen ratlosen Blick zur Decke und möglicherweise durch sie hindurch zum Himmel.
«Willst du wirklich eine ernsthafte Antwort auf diese Frage, Angelo?»
«Nein. Aber irgendeine.»
«Bene, die kannst du haben. Möglich ist alles. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering. Es wird dir nichts anderes übrigbleiben, als geduldig die Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Andernfalls musst du eben herausfinden, was den Herrn dazu gebracht haben könnte, so eine blödsinnige Tat zu begehen.»
«Grazie. Das hilft mir wirklich weiter.»
Dottor Eliseo Salvia lachte so laut, dass die alten Männer zu ihnen herübersahen, dann leerte er seine Tasse, klopfte Guerrini auf die Schulter und ging.
Die erste Befragung des Paolo Massimo erbrachte ein höchst mageres Ergebnis. Dabei war der Direktor der Banca libera durchaus kooperativ gewesen, hatte von den Fusionsplänen mit der deutschen Hardenberg Bank erzählt, davon, dass er Leo Hardenberg vor zwei Tagen in Florenz bei einem Mittagessen getroffen hätte und dieser auf dem Weg zu einem Kurzurlaub in Lucca gewesen sei. Nach dem Essen hätte man sich getrennt.
«Im Frieden?», hatte Guerrini gefragt.
«Nicht ganz, aber auch nicht im Krieg», war Massimos Antwort gewesen, und bereitwillig hatte er von seinem Konflikt mit Hardenberg berichtet.
Was Hardenberg allerdings nach dem Treffen zugestoßen sein könnte und wer ihn am Rand von Massimos Anwesen vergraben haben könnte, dazu fiel dem Banker gar nichts ein, nur, dass er sehr betroffen über den Tod des deutschen Kollegen sei.
Der Anwalt aus Turin, ein magerer Mittfünfziger mit unruhigen Augen unter buschigen weißen Brauen und dichten schneeweißen Haaren, hatte erneut eine hohe Kaution ins Spiel gebracht und mit Nachdruck die Unschuld, ja, das völlige Unwissen seines Mandanten betont. Es handle sich mit Sicherheit um eine besonders perfide Verschwörung oder um die Vertuschung eines Unfalls, mit dem sein Mandant nichts zu tun hätte.
«Hat die Polizei schon mit der Freundin des Toten gesprochen? Mit dieser Geliebten, mit der Hardenberg nach Lucca wollte?»
«Sie hat Hardenbergs Verschwinden gemeldet und steht in Kontakt mit den Carabinieri in Florenz.»
«Was heißt Kontakt?» Die Stimme des Anwalts wurde scharf. «Die Frau steckt möglicherweise hinter diesem Mord. Eifersucht war schon immer ein bedeutendes Motiv. Die Geliebte oder die Ehefrau! Haben Sie schon mit der Ehefrau geredet?»
«Natürlich nicht! Sollen wir sie von den Carabinieri in München abholen lassen? Wie stellen Sie sich das vor?»
«Ich stelle mir vor, dass Sie schnellstens Ihre Arbeit erledigen und meinen Mandanten hier nicht länger festhalten. Oder können Sie sich vorstellen, dass ein Mann wie Dottor Massimo einen Kollegen in einen Müllsack steckt und in seinem Garten vergräbt? Er würde sicher eine elegantere Lösung für die Beseitigung eines Gegners finden, da bin ich sehr sicher!»
Aufgrund dieser wolkigen Aussagen und Vermutungen lehnte der Haftrichter die Freilassung Massimos und die Kaution
Weitere Kostenlose Bücher