Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
bitte?»
Der Gerichtsmediziner grinste und breitete sorgsam ein dünnes grünes Tuch über Hardenberg.
«Non stai bene, eh?», murmelte er. «Geht dir nicht besonders gut, was? Liegt es an Schlafmangel oder an etwas anderem?»
«An beidem», erwiderte Guerrini. «Lass uns heute Abend ins Aglio e Olio gehen, dann bin ich vielleicht in der Stimmung, darüber zu reden. Hast du Zeit?»
«Jaja, ich habe Zeit. Elisabetta bereist mal wieder die Welt, um irgendwo Menschen zu retten. Mich rettet niemand, und deshalb freue ich mich auf ein gutes Essen mit dir … und auf ein gutes Gespräch.»
«Hoffentlich enttäusche ich dich nicht.»
«So schlimm?»
«Ah, niente. Es ist nichts. Ich spiel nur Theater.»
Salvia warf dem Commissario einen forschenden Blick zu, erwiderte aber nichts.
«Warum warst du eigentlich gestern Abend nicht da?», fragte Guerrini.
«Ich hatte keinen Dienst, da habe ich Freunde in Florenz besucht.»
«Es war auch keiner deiner Stellvertreter da! Was ist denn da los? Ist doch totale Schlamperei.»
«Beh, du hast wirklich schlechte Laune, Angelo. Ich bin nicht für den Dienstplan verantwortlich. Deshalb habe ich auch keine Ahnung, was da schiefgelaufen ist. Aber ich werde mich darum kümmern, wenn dich das beruhigt.»
Mit einer weit ausholenden Armbewegung wischte Guerrini die Antwort seines Freundes Salvia beiseite.
«Weshalb sollte mich das beruhigen? Es beruhigt mich überhaupt nicht! Wahrscheinlich werde ich demnächst eine Spezialausbildung als Leichenbeschauer machen, dann werde ich total unabhängig von Polizeiärzten!»
«Mach das!» Salvia streifte seine Gummihandschuhe ab und warf sie in einen Eimer.
«Ah, es ist so sinnlos! Mit dir kann man nicht einmal streiten!» Abwehrend hob Guerrini beide Hände.
«Hast du noch Zeit für einen Caffè, oder musst du sofort zu deinem Verdächtigen?», fragte Salvia.
Guerrini warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Für einen Caffè reicht es noch. Vielleicht kannst du mir doch noch ein paar Tipps geben.»
Salvia zog seinen Kittel aus und verließ vor Guerrini den Raum des Todes. Draußen schlüpfte er in eine Jacke aus feinem, dunkelbraunem Leder und besprühte sich mit einem Hauch Herrenparfüm, um die morbiden Gerüche zu übertönen, denen er ständig ausgesetzt war. Guerrini hustete diskret.
Salvia lächelte der jungen Assistentin zu, die im Vorzimmer saß. «Bin in zwanzig Minuten wieder da! Dringender Termin in der Questura!»
Sie nickte und lächelte zurück. Dieses Lächeln war mit einem so warmen und tiefen Blick verbunden, dass Guerrini kurz die Augenbrauen hochzog. Der junge Arzt dagegen hob die Hand und winkte fröhlich.
Na ja, er ist eine gute Partie und hat jede Menge Charme, dachte Guerrini, während er Salvia folgte. Und er ist erst sechsunddreißig. Da war ich schon ein paar Jahre verheiratet.
Draußen wirbelte ein warmer Wind um die Ecken der alten Häuser, trug fröhlich Papierfetzen hoch hinauf und schleuderte über den Dächern Tauben und Dohlen durch die Luft. Wie Geschosse jagten sie dahin, mit angelegten Flügeln, steuerlos.
«Es soll ein warmes und trockenes Frühjahr geben», sagte Salvia. «Wär nicht schlecht, nach diesem verregneten Winter.»
«Ja, wär nicht schlecht», murmelte Guerrini.
«Das Wetter ist auch nicht dein Thema, oder?» Salvia versuchte, sein lockiges dunkles Haar zu bändigen, das der Wind ihm in die Augen geweht hatte. «Was also dann?»
«Non só! Weißt du immer, was gerade dein Thema ist?»
«Nein, natürlich nicht. Aber normalerweise ist das Wetter ein gutes Thema, wenn man nicht genau weiß, wo man anfangen soll.» Er gab den Kampf um seine Frisur auf und schob Guerrini in den Eingang einer kleinen Bar.
Sie bestellten zwei Cappuccini und Hörnchen mit einer Füllung aus Vanillecreme. Es gab nur drei Tische in der Bar, und alle waren von zeitunglesenden Alten besetzt. Am Tresen standen ebenfalls vorwiegend ältere Männer, die ihren Caffè schlürften, süßes Gebäck kauten und darüber sprachen, dass Inter Milan schon wieder verloren hatte, gegen Florenz – ein Anlass zur Freude. Ab und zu hob einer der Zeitunglesenden den Kopf und warf einen Satz dazwischen.
Es war keine besonders gemütliche Bar. Das Neonlicht war kalt, die Tische aus grünem Kunststoff, die Stühle aus Metallgittern zusammengefügt, die Wände hellgrau getüncht. Und dennoch …
Es sind die Menschen, dachte Guerrini, während er vorsichtig einen Schluck heißen Espresso trank. Ohne diese alten Männer
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