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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Platz. Zweifellos eine Kranke, konstatierte er, aber in welchem Zusammenhang steht ihr Besuch mit unserm Weyden? Die Angelegenheit wäre durchsichtiger gewesen, säße ein normal gekleidetes Mädchen vor ihm, eine Roswitha etwa…
»Von der ›Quil‹ kommen Sie also. Hm, interessant, ich kenne mich dort gut aus. Sie haben einen Vater, der zweieinhalbtausend Jahre alt ist, stimmt’s?«
Die Besucherin nickte zustimmend.
»Sind Sie nicht zufällig auch diesem Me begegnet?«
»Gewiß, ich habe mich erst vor drei Wochen von ihm verabschiedet. Ich bin also an der richtigen Stelle bei Ihnen…«
Allmählich glaube ich, daß meine Klinik doch ein Tollhaus ist, dachte Grasmais und sog an seiner erkalteten Zigarre. Er argwöhnte ein Komplott, suchte nach Zusammenhängen. Ehe er jedoch eine weitere Frage stellen konnte, sagte die Besucherin: »Ich kenne mich in irdischen Lebensgewohnheiten nicht gut aus; ich weiß jedoch, daß Hans hier gefangengehalten wird, und bin gekommen, ihn mitzunehmen.«
»Hans?« erkundigte sich Grasmais verwundert. »Was für ein Hans? Reden Sie ganz offen – haben Sie nicht häufig starke Kopfschmerzen?«
»Nein, ich habe keine Kopfschmerzen. Ich sprach von Hans Weyden, den Sie hier festhalten. Leugnen Sie es nicht, ich war bei seiner Frau.«
Nach dieser Erklärung glaubte der Professor klarer zu sehen. Das verzerrte Bild nahm Konturen an. Mit überlegener Ruhe setzte er seine Zigarre wieder in Brand, sagte dann in väterlichem Tone: »Mein verehrtes Fräulein, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß Sie Ausländerin sind. Ihre Regierung hat Ihnen einen Studienplatz bei uns ermöglicht. Irgendwann haben Sie Herrn Weyden kennengelernt, ein verträumter, schwärmerisch veranlagter Mensch, ein wenig introvertiert, aber ohne Zweifel sympathisch. Ich verstehe das alles, sogar den Honigmond, aus dem dann später der sechste Mond bei ihm wurde. Doch glauben Sie mir, ich bin seit einigen Jahrzehnten Arzt. Aus Erfahrung ist mir bekannt, zu welchen Denkkombinationen und Listen labile und gemütskranke Menschen fähig sind, wenn sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. Mein Fräulein…«, Grasmais erhob sich, zeigte ein verständnisvolles Lächeln, »Sie helfen weder sich noch Ihrem Freund, wenn Sie mit derartigen Mätzchen einen Patienten der ärztlichen Kontrolle entziehen wollen. Außerdem gefährden Sie dadurch Ihren Studienplatz.«
Er setzte sich wieder, wartete auf eine Antwort. Da sein Gast schwieg, fuhr er fort: »Durch Ihren Besuch haben Sie ihm dennoch geholfen. Ich ahne nun, wo, um mich volkstümlich auszudrücken, der Hund begraben liegt…«
»Er ist begraben?« erkundigte sich die Ausländerin bestürzt. »Waldi ist tot?«
Der Professor drohte mit dem Zeigefinger. »Wir wollen es nicht übertreiben, mein Fräulein, die Angelegenheit ist nicht zum Spaßen. Zweifellos kann der Patient durch Ihren Besuch über jeglichen Verdacht behördlicherseits erhaben sein. Wo Sie Ihren Honigmond erlebt haben, soll uns nicht interessieren. Doch ein kleiner Tick ist nun einmal zurückgeblieben. Das werden wir in Ordnung bringen, ich verspreche es Ihnen. Jetzt wollen wir brav nach Hause gehen. Vielleicht rufen Sie in den nächsten Tagen wieder einmal an…«
Er war des Geredes überdrüssig, blickte nervös auf die Uhr. Die Besucherin dachte indes nicht daran aufzustehen. Nach einer kurzen Pause sagte sie plötzlich laut und akzentuiert: »Du bist ein Racha.«
Dunkel erinnerte er sich, dieses Wort schon einmal gehört zu haben. Für einen Moment verlor Grasmais die Selbstbeherrschung, vor allem deswegen, weil er so unerwartet geduzt wurde. »Meine Dame«, rief er aufgebracht, »solche Töne bin ich nicht gewohnt – es sei denn, ich habe Patienten vor mir. Mit Rücksicht auf Ihre Staatsangehörigkeit will ich mich beherrschen. Bitte, verlassen Sie jetzt mein Büro!«
Die »Dame« antwortete respektlos: »Ich bin jetzt am Ende mit meiner Geduld. Mit dem stinkenden Qualm, den du ständig aus deinem Munde abläßt, kannst du mich nicht erschrecken. Öffne die Tore und bringe mich zu meinem Geliebten, oder ich werde dir die Leviten lesen…«
Fehldiagnose, doch eine Geisteskranke, überlegte der Professor. Es ist wohl am besten, wenn ich sie hierbehalte. Merkwürdige Übereinstimmung, vielleicht eine beginnende Epidemie von kosmischer Schizophrenie, eine neuartige Seuche…? Er lächelte liebenswürdig und meinte beschwichtigend: »Nicht gleich aufbrausen, kleines Fräulein, das bringen wir schon in Ordnung.

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