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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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standen dicht beieinander und berieten lautlos. Diese stumme Unterredung war eigenartig, sie erinnerte mich an eine Unterhaltung zwischen Ameisen. Eine halbe Minute verging, dann umringten sie mich. Einer zog etwas aus dem Trikot. Es sah aus wie ein gefalteter Bogen aus einer Kunststoffolie. Als er ihn auseinanderklappte, erkannte ich im Schein des grünen Lichtes ein vertrautes Bild. Es war eine Sternkarte, Zeichen, die in dem uns überschaubaren Universum überall Gültigkeit besaßen.
Der Kleine markierte mit einem Stift einen Stern, zog dann einen weißen Strich über die Karte und malte am Ende einen großen, nicht sehr gelungenen Kreis hin. Alle drei blickten mich fragend an, ob ich verstanden hätte.
Ich hatte nicht verstanden.
Wieder deuteten sie auf mich, dann auf ihr Raumschiff und schließlich auf die Zeichnung. Geduldig, als stünde ein Analphabet vor ihnen, demonstrierten sie mir immer wieder dieses Bild. Was wollten sie?
Ich vermutete, daß sie mich zu irgendeinem Zeitpunkt einladen wollten, ihr Raumschiff zu besichtigen, vielleicht auch ein Stückchen mit ihnen zu fliegen. Was aber hatte es für eine Bewandtnis mit dem Kreis und dem Strich auf der Sternkarte? Als sie merkten, daß ich ihnen nicht zu folgen vermochte, deuteten sie mir an, ein paar Schritte auf die Wiese zu gehen. Wieder fiel mir auf, wie steif und ungelenk ihre Bewegungen waren. Es mußte wohl mit der veränderten Schwerkraft zusammenhängen. Der Kleine mit der Karte deutete nach oben. Ich folgte der Richtung seiner Hand, sah einige Sterne, die zum Sternbild des Löwen gehörten. War einer dieser Sterne ihre Heimat? Wollten sie mir dies sagen? Abermals beschrieb der Kleine einen Bogen, ließ beide Hände aneinander vorbeigleiten, bis sie sich bedeckten.
Er wiederholte das Spielchen noch einige Male, dann, ich atmete hörbar auf, fiel bei mir der Groschen. Der Kreis sollte den Mond darstellen, der bei seiner Erdumkreisung häufig Sterne bedeckte. Die Zeichnung bedeutete: Sobald der Mond durch das Sternbild des Löwen wandert, werden wir erneut hier landen. Dann sollst du einsteigen und alles sehen.
Mir war nach dieser Prozedur zumute, als hätte ich eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht. In meinem Bücherregal befand sich der Sternkalender für dieses Jahr, in dem alle Sternbedeckungen durch den Mond eingetragen waren. Es war also eine Kleinigkeit, ihre Rückkehr auf die Minute festzustellen.
Unsere komplizierte Unterhaltung hatte viel Zeit in Anspruch genommen. Sie wurden unruhig, einer von ihnen lief zur Treppe, gab offenbar Signale an die übrige Besatzung. Das grüne Licht erlosch. Ich sah auf die Armbanduhr. Es war kurz vor ein Uhr. Sollte ich nicht wenigstens eine Antwort auf die vielen Fragen erhalten, die sich mir aufdrängten? Gab es außer diesem Flugkörper noch andere? Woher kamen sie, und was wollten sie auf der Erde? Warum die heimlichen Landungen, sichtlich darauf bedacht, keinen offiziellen Kontakt aufzunehmen?
Im Grunde war ich nicht viel klüger als gestern. Dennoch – wer hätte sich glücklicher schätzen dürfen als ich? Zum ersten Male hatte sich ein Mensch mit einer außerirdischen Zivilisation verständigt, sogar zu einer Vereinbarung war es gekommen. Mir erschien diese Stunde wie ein Vorgriff auf die Zukunft. Am liebsten hätte ich die drei im Überschwang meiner Gefühle umarmt. Um ihnen wenigstens einen Beweis meiner Sympathie zu geben, löste ich meine Armbanduhr vom Handgelenk und reichte sie dem Kleinen. Der zögerte einige Sekunden, dann nahm er mir die Uhr ab, betrachtete sie und verneigte sich. Er hatte mein Geschenk angenommen.
Die anderen deuteten nach oben, machten mir klar, daß sie aufsteigen wollten. Ich wußte, daß ich mich jetzt entfernen mußte, dennoch zögerte ich; hoffte insgeheim, sie würden sich mit einem Gegengeschenk revanchieren. Ihre Sternkarte zum Beispiel wäre mir ein willkommenes Souvenir gewesen. Auch hätte ich dann einen sichtbaren Beweis unserer Begegnung gehabt. Zu meinem Bedauern dachten die drei nicht daran. Es blieb bei den Verbeugungen. Ich ging zurück, um das Aufstiegsmanöver aus angemessener Entfernung zu verfolgen.
Diesmal starteten sie nicht so überhastet. Die drei waren schon eingestiegen, die Treppe rollte langsam nach oben. Das feine Summen drang wieder zu mir herüber. Überzeugt, daß sie mich trotz der Dunkelheit sehen konnten, winkte ich. Der Nebel zerstob, kam wie eine Wand auf mich zu. Durch den Dunst sah ich sie steigen, höher und höher, bis sie am

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