Zeit der Sternschnuppen
Rinderrouladen ernähren, sie müssen irgendwelche Konzentrate an Bord haben. Vermutlich kennen sie bereits das Geheimnis der Photosynthese, die Umwandlung von Sonnenenergie in Kohlehydrate. Hunderte solcher Aufgaben müssen gelöst werden, ehe man sich in die Tiefen des Alls wagen kann. Wie weit waren wir noch von solchen Flügen entfernt…
Mein Gast stand auf. Seine Linke wühlte zerfahren in der Rocktasche, in der einige Geldstücke klimperten. »Ich möchte wissen, was heute mit dir los ist«, knurrte er verstimmt. »Erst spinnst du über Raumfahrer, dann interessiert dich auf einmal nur noch der Mond. Ich mach’ mich jetzt auf die Socken…« Er sah auf die Uhr. »Schon wieder die halbe Nacht vorbei. Ehe ich es vergesse, schlaf dich heute aus, guck nicht so lange in die Sterne, übermorgen fangen wir hier auf der Wiese mit der Heuernte an. Drei Schichten, Tag und Nacht, vierzehn Tage lang. Es wird also nachts etwas laut werden…«
Ein Donnerschlag hatte mich nicht heftiger erschrecken können. Daran hatte ich nicht gedacht: Jedes Jahr um diese Zeit lärmten auf dieser Wiese Traktoren. Ich dachte an meine Verabredung. »Ich verstehe nicht«, stotterte ich, »übermorgen schon? Du könntest doch noch vierzehn Tage damit warten…«
»Ernte geht nun mal vor Kunst«, erhielt ich zur Antwort, »Heu bedeutet Fleisch, und in diesem Jahr brauche ich viel Futter…«
»Walter, du hast doch noch andere Wiesen, zwanzig Kilometer weiter steht das Gras genauso hoch wie hier«, sagte ich beschwörend, »warum willst du nicht dort mit der Heuernte anfangen?«
Er deutete mein Ansinnen anders, glaubte, mich würde der nächtliche Lärm stören. »Stopf dir die Ohren zu«, riet er mir, »mal muß das Gras geschnitten werden. In vierzehn Tagen hast du’s hinter dir. Hoffentlich bleibt das Wetter trocken.«
Ich stöhnte auf. Alles war zu Ende, wenn Gies jetzt mit der Ernte anfing. Ich goß ihm einen Kognak ein, nötigte ihn zum Sitzen und redete, als ging es um mein Leben. Er konnte ohne Schwierigkeiten an einer anderen Stelle mit der Heuernte anfangen. Um mich glaubhaft zu machen, nahm ich zu Lügen Zuflucht: Besuch aus dem Ausland erwarte ich, Gäste, die sich auf Manik Maya erholen wollten. Als ich bemerkte, daß er schwankend wurde, bot ich mich an, Büroarbeiten für ihn zu übernehmen, denn ich wußte, wie lästig ihm Schreibarbeiten waren und daß er seit Monaten einen Buchhalter suchte.
Sein Gesicht hellte sich auf, mein Anerbieten interessierte ihn. Doch Gies war gerissen, tat, als fiele ihm die Entscheidung schwer. »Tja, woanders anfangen – wie du dir das vorstellst. So eine Umdisponierung bringt meinen Plan durcheinander…«
»Zwei, drei Tage könnte ich für dich alles abschreiben…«
»Hm…« Pause, angestrengtes Nachdenken. »Jetzt sind gerade die Lohnabrechnungen fällig. Würdest du das machen können?«
»Wird erledigt, Walter.«
Er kräuselte die Stirn. »Ich bin ja kein Unmensch«, meinte er schließlich gönnerhaft, »und ich will auch nicht, daß deine ausländischen Gäste schlaflose Nächte haben – was sind das übrigens für Ausländer?«
»Aus der Mongolei«, schwindelte ich drauflos.
Er nickte respektvoll. »Da fällt mir ein, daß auch das Protokoll von der letzten Vollversammlung abzutippen ist. Sechs Durchschläge! Du weißt ja, der Landwirtschaftsrat… Die müssen was lesen für ihr Gehalt.«
»Mach ich alles, Walter, sei ohne Sorge.«
»Dann wären auch noch verschiedene Briefe zu beantworten, Ärger mit Lieferfirmen. Denen mußt du auf die Füße treten. Wenn du morgen gleich anfangen könntest?«
Dieser Erpresser, nutzte die Situation aus, schraubte seine Gegenforderungen immer höher. Ich sagte zu allem ja und hätte sogar, würde er es verlangt haben, seine Ställe ausgemistet. Gies war sehr zufrieden mit unserm Handel, der ihn nichts kostete und ihm so unerwartete Vorteile einbrachte. Vergnügt rieb er sich die Hände. Ich gönnte ihm den billigen Triumph. Später, als er sich verabschiedet hatte und schon auf dem Motorrad saß, fragte er: »Jetzt mal ehrlich, Hans, hast du der Rita die Armbanduhr tatsächlich geschenkt?«
»Nein«, sagte ich, »ich habe sie beim Pilzesuchen verloren.«
»So was von Leichtsinn!« rief er in das Geknatter seines Motorrads, »aber vielleicht findet sie jemand und gibt sie auf der LPG ab.« Er winkte mir zu und ermahnte mich noch einmal, pünktlich im Büro zu sein.
Auf der Wiese wallte der Nebel. Der Himmel hatte sich leicht bewölkt, es sah nach einer
Weitere Kostenlose Bücher