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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Wahrheiten, zumal von so ungewöhnlicher Natur, waren wohl zu allen Zeiten suspekt. Dabei ist alles so einfach, so sinnfällig… Warum bemühen Sie sich nicht, die Diebe ausfindig zu machen? Das Sendegerät würde Sie überzeugen. Auch meine Frau ließe dann ihren lächerlichen Verdacht fallen.«
»Wir werden der Sache nachgehen«, verspricht Eichstätt. »Erzählen Sie weiter. Möchten Sie rauchen oder einen Kognak trinken?«
»Ich bin Nichtraucher«, wehrt Weyden ab, »und trinken kann ich erst wieder, wenn die Wirkung des Konzentrats nachgelassen hat – morgen oder übermorgen…«
Eichstätt verzichtet auf die naheliegende Frage nach dem Konzentrat. Er wartet geduldig, weiß, daß sein Besucher erzählen wird, was er wissen will. Seine lange Berufserfahrung bewahrt ihn vor überhasteten Schlüssen. Eichstätt will sichergehen, ehe er eine Entscheidung trifft.
Es ist kurz vor drei Uhr. Ab und zu dringt von der Straße Gelächter herauf. Die Neujahrsnacht geht zu Ende. Weyden ist auf einmal wie umgewandelt. Er wirkt konzentriert, weiß, was für ihn auf dem Spiel steht. Er muß seine Gesprächspartner überzeugen, will er aus dieser Zwickmühle herauskommen. Darum wägt er nicht nur jedes Wort sorgfältig ab, sondern bemüht sich auch, jedes ihm wichtig erscheinende Detail zu erwähnen, das ihn glaubwürdiger machen kann. In der Tat bedarf es nur eines einzigen Beweisstückes, um seine Redlichkeit zu bezeugen – und das könnte wohl nur noch die Polizei herbeischaffen.
Doch die Beichte, die Hans Weyden in dieser Nacht ablegt, gleicht seinem naiven Auftritt. Was er zu erzählen hat, scheint dem Nachlaß der Scheherezade aus »Tausendundeiner Nacht« entnommen zu sein…

1. Teil
Nächte auf Manik Maya
    »Der gesunde Menschenverstand kann es sich nicht vorstellen, daß all diese zahllosen Welten, die so prachtvoll sind wie unsere eigene oder sogar noch viel schöner, nicht von ähnlichen oder gar besseren Lebewesen bewohnt werden.«
    Giordano Bruno, als Ketzer und sündiger Dominikanermönch wider die heilige und unfehlbare Lehre der Kirche im Namen des heiligen Glaubens am 19. Februar Anno 1600 auf dem Campo de Fiori lebendigen Leibes verbrannt.

1
    Es war Mitte Juni des vergangenen Jahres.
    Drückende Schwüle hatte mich aus der Stadt vertrieben. Ich wollte in Ruhe arbeiten, suchte die Waldeinsamkeit, die Stille. Hier besaß ich beides. Doch im Wald, auf Manik Maya und der angrenzenden Wiese herrschte das gleiche tropische Klima wie in der Stadt. Die Luft war mit Elektrizität geladen; meine Haare sprühten Funken, wenn sie mit dem Kamm in Berührung kamen. Ich war aufgeladen wie ein Akku. Waren die Sonnenflecke für das mörderische Klima verantwortlich? Einerlei, in den Urwäldern Sumatras konnte die Luft nicht stickiger sein. Ich war nervös, suchte nach einem Gedanken.
    In einsamen Stunden grübelt man über vieles nach, und wenn man nervös und gereizt ist, sucht man nach einem Schuldigen. Schon seit geraumer Zeit störte mich das monotone Zeckspiel der Fliegen um den Lampenschirm. Es lenkte mich von der Arbeit ab; außerdem verunreinigten sie mir mein weißes Zeichenpapier. Ich sprühte ihnen eine Wolke Mux in die Flugbahn, sah befriedigt, wie sie im Sturzflug auf dem Fußboden landeten.
    An meiner Grundstimmung änderte sich dadurch nichts. Die wirkliche Ursache lag tiefer. Ich wollte ein paar Plakatskizzen entwerfen, aber ich brachte nur Kleckse zustande. Mißvergnügt wanderte ich auf und ab. In vierzehn Tagen sollte ich die Entwürfe abliefern. Thema: Die Welt von morgen. Wie sah sie aus? Selbst der Chef der graphischen Abteilung hatte mir das nicht sagen können. »Mach was Modernes, verwende Symbole, die Plakate müssen die Neugier herausfordern«, riet er mir.
    »Was wird ausgestellt?« wollte ich wissen.
»Nichts von heute«, erhielt ich zur Antwort, »Modelle aus allen Wissenschaftsbereichen. Kernfusion als neue Energiequelle, Raumfahrt, Meeresbiologie, Biophysik, Städteplanung, Photosynthese und so weiter. Mit einem Satz: Wie und unter welchen Bedingungen werden die Menschen in zwanzig, dreißig Jahren leben. Du beschäftigst dich doch mit solchen Sachen – oder interessiert dich der Auftrag nicht?«
»Du bekommst die Plakate«, versprach ich. Der Auftrag reizte mich wirklich – außerdem brauchte ich Geld.
War ich zu voreilig gewesen? Welt von morgen – im Grunde begriff ich nicht einmal die Welt von heute. Nun saß ich hier, knobelte, suchte nach Symbolen und kühnen Gedanken, die das

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