Zeit der Sternschnuppen
wissen, »es gibt doch eine Meldeordnung…«
Weyden hebt die Schultern, schweigt.
»Und was sagt Ihre Frau zu diesen Eskapaden?« erkundigt sich der Oberwachtmeister.
»Das ist allein unsere Privatangelegenheit, Herr Oberwachtmeister«, antwortet Weyden kühl. »Ich bin hier, um Anzeige zu erstatten. Für den Polizeiapparat ist es eine Kleinigkeit, den Namen und die Adresse des Busfahrers ausfindig zu machen. Die Burschen im Autobus waren angetrunken, sie hatten sich provokativ neben mich gesetzt. Nur sie können den Sender gestohlen haben…«
Wieder hat er in unverständlicher Aufregung von einem Sender gesprochen. Die beiden sind hellhörig geworden. »Ein Sender wurde also gestohlen«, stellt der Oberwachtmeister fest, »vorhin war es noch ein Kofferradio.«
Er habe sich nur versprochen, versichert Weyden, doch er vermag einen aufkommenden Verdacht nicht mehr zu zerstreuen. Redet erst von einem Radio, dann, viel überzeugender, von einem Sender, ist fünfeinhalb Monate vermißt, kehrt ausgerechnet in der Silvesternacht zurück und besitzt keinen Ausweis, nicht einmal eine Fahrerlaubnis oder den Verbandsausweis. Auch über das angeblich gestohlene Kofferradio kann er auf Befragung nur unvollkommene Angaben machen. Er kennt nicht einmal die Firmenmarke. Weyden ist sich zu dieser Zeit seiner Sache wohl selbst nicht mehr sicher. Er verzichtet plötzlich auf eine weitere Verfolgung der Angelegenheit, will sich hastig entfernen, doch der mißtrauisch gewordene Oberwachtmeister bittet ihn höflich, aber mit Nachdruck, noch einen Moment zu warten. Er flüstert seinem Kollegen etwas ins Ohr, worauf dieser in einem Nebenzimmer verschwindet.
»Wir haben Glück«, versichert der Oberwachtmeister leutselig, »zufällig befinden sich noch Genossen von der Kripo im Hause – der Silvesterknallerei wegen. Seien Sie ganz ruhig, Herr Weyden, der Diebstahl wird sich rasch aufklären…«
»Ich lege keinen Wert mehr darauf«, protestiert Weyden schwach, »mit dem ersten Zug fahre ich zurück und versuche selbst…«
Der Wachtmeister kommt zurück. »Eichstätt interessiert sich für die Angelegenheit«, verkündet er doppelsinnig. Die Würfel sind gefallen; er begleitet den finster dreinblickenden Bestohlenen durch einen schmalen Korridor, klopft an eine Tür und öffnet sie.
Zögernd betritt Weyden ein geräumiges Arbeitszimmer.
Eine Schreibtischlampe hüllt den Raum in Halbdunkel. Hinter dem Schreibtisch sitzt ein grauhaariger älterer Herr, an der Seite, vom Licht nicht mehr voll erfaßt, ein jüngerer Mann in der Uniform eines Majors. Beide erheben sich, reichen dem späten Besucher die Hand, murmeln ihre Namen. Der Grauhaarige hinter dem Schreibtisch ist Eichstätt. Er bietet Weyden einen Stuhl an, fordert ihn auf zu berichten.
Weyden bemerkt, daß seine Karteikarte auf dem Schreibtisch liegt. »Ich habe schon gesagt, daß ich auf eine Anzeige verzichte«, ereifert er sich, »so wichtig ist der Diebstahl wirklich nicht.«
Ein Diebstahl ist immer wichtig und anzeigepflichtig, wird er belehrt. »Sie kamen also heute von Jauernick zurück. Im Bus wurde Ihnen dann das Kofferradio gestohlen. Es war doch ein Kofferradio?«
Weyden nickt beklommen. Wieder beteuert er, daß sich der Aufwand nicht lohne. Überhaupt habe er es eilig, seine Frau erwarte ihn.
»Immerhin haben Sie Ihre Gattin fast ein halbes Jahr warten lassen, Herr Weyden«, stellt Eichstätt sachlich fest. »Sie haben also bei einer Freundin gewohnt.«
»Ja.«
»Würden Sie mir den Namen und die Adresse nennen?« »Nein. Mein Privatleben geht niemanden etwas an.« Eichstätt blättert in einem Buch.
»Merkwürdige Ansichten sind das«, mischt sich der Major
ein. »Es geht schließlich um den Nachweis Ihres Aufenthaltes im letzten Jahr…«
»Jauernick, hier hätten wir es.« Eichstätt unterstreicht etwas im Buch. »Ein kleiner Ort, wer sich dort fünfeinhalb Monate aufhält, fällt auf. Ich werde jetzt Ihre Angaben überprüfen, Herr Weyden. In fünf Minuten habe ich den Bürgermeister am Telefon. Wollen Sie bei Ihren Angaben bleiben?«
Er erhält keine Antwort. Weyden stiert mit zusammengepreßten Lippen auf das Buch, Eichstätt notiert eine Nummer, blickt dann den in die Enge getriebenen Weyden prüfend an. »Warum machen Sie sich diese Schwierigkeiten? Ich bezweifle, daß Sie in Jauernick waren. Wollen Sie uns nicht reinen Wein einschenken? Was zum Beispiel ist mit dem angeblich gestohlenen Kofferradio? War es nicht doch ein Sender?«
Schweigen.
»Mit wem
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