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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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unsere Gegensätze regten mich zum Philosophieren an. Ich sagte: »Du hast recht, Vater, eure Götter haben versagt. Darum haben wir nach besseren Göttern gesucht, nach solchen, die sich niemals irren.«
Sein Gesicht zeigte Skepsis. »Ihr hättet wirklich bessere Götter gefunden? Erzähle; ich weiß sehr wohl, daß die Natur voller Rätsel steckt. Was also haben euch die neuen Götter geweissagt? Wie heißen sie, und wo wohnen sie?«
Die Götter! Strohhalm der Verzweifelten, ewige Zuflucht der Unwissenden und Denkfaulen, Selbstbetrug und Instrumentarium für Scharlatane und Machthungrige. Es gab heute nicht weniger Sekten auf der Erde als zu seiner Zeit. Ich hatte schon immer eine Aversion gegen die menschenunwürdige Gottesanrufung. »Was sie uns geweissagt haben? Sie gaben uns den Rat, nicht mehr auf Wunder zu hoffen. Sie sagen: Du bist, was du dir selber gibst. Willst du also besser leben, so mußt du dir eine bessere Ordnung schaffen. So einfach ist das, Väterchen…«
Ich bildete mir ein, etwas besonders Kluges gesagt zu haben, doch ich erntete nur ein spöttisches Lächeln. »Also keine besseren Götter und nichts Neues unter der Sonne«, antwortete er. »Auch wir haben uns nur solche Ordnungen geschaffen, in denen es uns gut ging.«
Diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Ich schwieg verblüfft. Unterdessen war es merklich dunkler geworden. Der Mondtag ging zu Ende. Mein Gesprächspartner erhob sich ächzend. »Nichts Neues auch unter dieser Sonne«, brummte er. »Sobald sie das Licht eindämmen, werde ich hundemüde. Wie ist es mit dir?«
Ich fühlte mich frisch und ausgeruht. Seine Schläfrigkeit kam mir gelegen. Ich wollte die Zeit nutzen und die Töpferscheibe ausprobieren. Diese Kunst gehörte zu den ältesten Produktionszweigen menschlicher Kultur. Es war schon lange mein Wunsch gewesen, einmal einen Krug oder eine Vase zu formen. Auch zeichnen wollte ich – doch woher das Schreibmaterial nehmen! Ich fragte den Alten.
»Beauftrage deinen Sklaven damit«, sagte er gähnend, »der zaubert dir alles herbei. Jedenfalls danke ich dir, mein Sohn, es war interessant, was du mir berichtet hast. Ich lege mich jetzt aufs Ohr. Morgen werden wir uns weiter unterhalten. Du hast mir noch nicht gesagt, ob dir mein Töchterchen gefällt. Entspricht sie deinem Geschmack und deinen Erwartungen?«
Zwar hatte ich hier nichts erwartet, aber Aul gefiel mir. Als ich es ihm sagte, drückte er mich erfreut an sich. »Sie ist eine Perle, ganz ihre Mutter…« Er gähnte wieder.
Ich begleitete ihn einige Schritte. Wir kamen an den Beeten vorbei, wo neben dem Gemüse auch Kartoffelstauden wucherten. Das Kraut war schon trocken. Mir fiel ein, daß er mit den Knollen gar nichts anfangen konnte, denn die Kartoffel war erst im sechzehnten Jahrhundert nach Europa gekommen.
Der Alte bestätigte auch meine diesbezügliche Frage und ereiferte sich grimmig über die »Hilfsmenschen«, die dieses ungenießbare Zeug heraufgeschleppt hatten. »Daran magst du erkennen, wie weit es mit ihrer Gescheitheit her ist, mein Sohn. Selbständiges Denken ist ihnen fremd, nicht einmal einen Hahn vermögen sie von einer Henne zu unterscheiden. Dattelstecklinge und Oliven wollte ich haben – statt dessen schleppen sie mir dieses abscheuliche Kraut herauf.«
Ich werde dir schon zeigen, was für ein Schatz hier vergraben liegt, dachte ich. Das Licht hatte nun schon einen fahlen Schimmer bekommen. Der Alte verabschiedete sich. Ich blieb noch einen Augenblick draußen, hob eine Kartoffelstaude aus. Sie hing voll mit großen gelben Frühkartoffeln, wunderbar geeignet für Kartoffelpuffer und grüne Klöße.
    Fritz war mir in die Töpferwerkstatt gefolgt. Das Schnarchen des Alten drang bis hierher. Ich nahm aus einem Trog eine Handvoll Ton, knetete ihn sorgfältig durch und setzte mich an die Töpferscheibe. Fritzchen verharrte wie eine Säule am Eingang.
    Es war gar nicht einfach, den Tonklumpen in die Mitte der Scheibe zu bugsieren. Als er endlich zentrisch lief und meine Daumen sich in die weiche Masse drückten, vergaß ich, wo ich mich befand. Ein Stückchen Erde drehte und verformte sich in meinen Händen, wuchs zu einer dickbauchigen Vase, nahm immer wieder willig neue Formen an und fiel schließlich in sich zusammen. Mich schreckte der Mißerfolg nicht. Stunde um Stunde drehte ich die Scheibe mit dem Fuß, brachte drei Vasen und zwei Töpfe zustande. Dann mußte ich aufhören, weil ich einen Wadenkrampf bekam.
    Ich fragte Fritzchen, ob er etwas von

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