Zeit der Sternschnuppen
nicht zurecht. Für sie ist das eine Kugel mit wenig Land und viel Wasser. Was sollte ich deiner Ansicht nach noch verlangen?«
Ein Schwimmbad zum Beispiel, dachte ich, und eine Tischtennisplatte. Auch ein Tonbandgerät mit viel Musikbändern. Es gibt vieles, was man hier brauchen könnte. Eine Bibliothek fehlte, Kaffee und Schokolade – vielleicht noch ein paar Musikinstrumente, dann konnten wir mit den Robotern ein Kammerorchester bilden. Mir fiel ein, daß Aul noch nie Musik gehört haben konnte. Wie würde sie auf ein Orgelkonzert reagieren? Ich sagte: »Der Me sollte dir eine Kuh raufbringen lassen.«
»Eine Kuh?«
»Ja, kennst du keine Kuh?«
»Nein. Im übrigen habe ich mich um diese Dinge nie
gekümmert. Mein Reichtum kam aus anderen Quellen. Meine Karawanen kauften Waren in fernen Ländern. Du meinst also, eine Kuh wäre nützlich?«
»Unbedingt. Von einer Kuh bekommst du Milch. Aus Milch kann man Butter, Käse, Quark und Sahne machen. Käme zu der Kuh noch ein Bulle, hättest du in wenigen Jahren eine kleine Herde. Wir könnten dann Wurst herstellen, Steaks essen oder einen saftigen Braten in saurer Sahne zubereiten…«
Er nickte bedächtig. »Zwar sind mir diese Speisen nicht bekannt, doch glaube ich an deinem Gesicht zu erkennen, daß es schmackhafte Leckereien sein müssen. Also eine Kuh und einen Bullen – ich danke dir für den Hinweis, mein Sohn. Bei Gelegenheit will ich dem Me meine Wünsche übermitteln lassen.«
Er widmete sich wieder den Hühnern. Ich dachte schläfrig: Es würde mich nicht mehr wundern, wenn Me seine Roboter auch noch mit diesem Schwachsinn beauftragen würde. Eine erheiternde Vorstellung, wenn im LPG-Stall plötzlich eine Kuh fehlte…
Ein Schatten legte sich über mein Gesicht. Als ich die Augen öffnete, sah ich Aul. Sie legte sich neben mich, blickte mich mit verklärtem Lächeln an. »Jetzt sehe ich, daß du wirklich hier bist. Hundertmal habe ich mit dir im Schlaf gesprochen. Als ich erwachte, hatte ich Angst, alles könnte nur ein Traum sein. Noch nie in meinem Leben habe ich so wunderbar geträumt, und noch nie war mein Erwachen so schön.«
»Es ist kein Traum, Sternschnuppe, ich bin wirklich hier. Eher hätte ich Veranlassung, alles für einen phantastischen Traum zu halten. Gerade die Wirklichkeit ist das Verrückte an der Sache. Wann wirst du mit Me Verbindung bekommen?«
»Irgendwann, er wird es mich wissen lassen. Wir müssen
Geduld haben.«
»Geduld«, knurrte ich verdrossen, »für deinen Me spielen
einige tausend Jahre anscheinend keine Rolle.«
»So lange wird es nicht dauern. Du machst so ein ernstes
Gesicht – was ist mit dir?«
Ich antwortete nicht. Meine Gedanken durcheilten Raum und
Zeit, kehrten immer wieder zur Erde zurück.
»Woran denkst du?«
Ich antwortete nach einer Weile: »An Regen.«
»Was ist das, Regen?«
»Regen ist eben Regen, Wasser, das sich in der Atmosphäre
bildet. Im Sommer, wenn es sehr heiß ist, bersten manchmal
die Wolken und schütten ihr Wasser auf die Erde. Das ist
Regen.«
»Ist das nicht unangenehm? Man wird doch naß davon…« »Weißt du, daß wir vier Jahreszeiten haben?«
»Ich habe es durch Berechnungen ermittelt, aber ich kann mir
nichts darunter vorstellen.«
»Im Frühling erwacht die Natur, alles ist voller Blütenduft.
Dann kommt der Sommer, es wird so warm wie im Brutofen
deines Mondes. Danach Herbst und Winter. Im Winter fällt der
Regen als Schnee herab. Dann kann man Ski laufen oder
Schlitten fahren und Schneemänner bauen…«
»Schneemänner? Meinst du Roboter?«
Ich erklärte es ihr, erzählte von meiner Stadt und meiner
Wohnung und von tausend Belanglosigkeiten. Aul konnte nicht
genug hören. Mir fiel ein, daß Weihnachten bevorstand. Wozu
dieser Seelenterror, dachte ich, irgendwie muß ich
zurückkommen, um welchen Preis auch immer. »Aul,
vielleicht hat dein Me die Anmeldung vergessen?«
»Me vergißt nie etwas«, sagte sie bestimmt.
»Hoffen wir es.« Ich stand auf. Waldi kratzte schon wieder
das Mauseloch auf.
Als das Licht erloschen war und ihr Vater sich schlafen gelegt
hatte, unternahmen wir einen Spaziergang durch das
Tunnellabyrinth. Ein matter Lichtschimmer erhellte die Gänge.
Wir hatten Waldi mitgenommen. Er war an einen Strick
gebunden, zerrte und beschnupperte die glatten Felswände.
Unser Ziel war das Observatorium, das sich in unserer Nähe
befand. Aul wählte jedoch einen Umweg, fand Spaß daran, mich immer wieder in neue Katakomben zu führen. Ich hatte
längst die Orientierung
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