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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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war bereits zu spät.
Ein ohrenbetäubendes Donnern schwoll an, der Saal erbebte,
es war, als berste der sechste Mond. An den Wänden sprühten
Funken, Lichter flackerten auf und erloschen wieder, die
driftenden hallen Kugeln schossen wie Luftballons in einer
Windböe auf und nieder. Der Boden unter mir vibrierte, ich
verlor den Halt. Im Fallen sah ich, wie Aul auf den Vorsprung
zurannte und Waldi, der sich dort mit seinen krummen Beinen
anzuklammern suchte, hinunterschleuderte. In der gleichen
Sekunde wurde es ruhig. Das Vibrieren hörte auf, alles war
wieder wie vordem. In der eingetretenen Stille hörte ich nur
Waldis Wimmern, der sich ungerechtfertigt gestraft fühlte. Ich erhob mich, blickte Aul verstört an. Sie war einen Schein
blasser. »Es hätte schlimm ausgehen können«, sagte sie nur. »Um Himmels willen, was war das, Aul?«
Ruhig antwortete sie: »Der Hund war auf den Beschleuniger
gesprungen. Noch zehn Sekunden, und der sechste Mond wäre
aus seiner Umlaufbahn geraten. Der Trabant besitzt eigene
Antriebsaggregate. Alles hat Me berechnen lassen, jedes Risiko
war berücksichtigt worden.« Sie lächelte und fügte sarkastisch
hinzu: »Nur an einen Dackel hat er nicht gedacht.«
Es hörte sich an wie ein makabrer Scherz. Mir zitterten die
Knie. Ich hatte das Empfinden, mich im Innern eines
Atomreaktors zu befinden, der jeden Augenblick explodieren
konnte. Aul hatte Waldi auf den Arm genommen, streichelte
ihn und sprach beruhigend auf das Tier ein. Dann übergab sie mir den Dackel und erteilte Befehle an die Roboter. »Ist
wirklich alles in Ordnung, Aul?« fragte ich eingeschüchtert. Sie nickte nur.
Waldi sah mich mit seinem Schalksgesicht an, als wollte er
sagen: Na, Herrchen, wie habe ich das wieder gemacht? Ich
setzte ihn auf den Boden, hielt die Leine fest in der Hand.
»Ungezogener, blöder Hund«, grollte ich, »um ein Haar hättest
du das ganze Sonnensystem durcheinandergebracht. Von nun
an verläßt du den Garten nie wieder.«
Ich hatte kein Interesse mehr an der Besichtigung des
optischen Observatoriums. Der Schreck saß mir noch immer in
den Gliedern. Auch Aul hatte es nun eilig zurückzukommen.
Sie befürchtete, der Vater könnte durch die Erschütterungen
wach geworden sein. Wir beeilten uns, den Saal zu verlassen.
    Unsere Sorge erwies sich als grundlos. Auls Vater lag in seinem Bett, schnarchte friedlich, schien selbst noch im Schlaf allen Gesetzen des Universums spotten zu wollen. Lediglich einige Töpfe und Krüge waren heruntergefallen.
    »Ich fühle mich hier nicht wohl«, sagte ich. »Der Gedanke, inmitten eines Vulkans zu leben, ist mir unheimlich. Ein kleiner Fehler in euerm Energie Zentrum, und der sechste Mond verwandelt sich womöglich in eine Sonne. Eure Sicherheitsvorkehrungen sind unvollkommen.«
    »Sie sind vollkommen«, versicherte Aul, »wir haben nur den Hund nicht eingeplant. Natürlich ließe sich der sechste Mond auch in eine Sonne verwandeln. Sie würde das Eis auf dem Jupiter zum Schmelzen bringen und ihn für spätere Generationen bewohnbar machen…«
    »Ich finde daran nichts Witziges, Aul.«

    »Und ich finde nichts Unheimliches daran, hier zu wohnen.
    Unheimlich ist nur das Unberechenbare – der Dackel zum Beispiel. Er ist schlecht programmiert. Wir werden ihm beibringen, daß er gehorchen muß und den Garten nicht wieder verlassen darf.«
    Ich fühlte ein Kribbeln auf der Haut und führte es auf den überstandenen Schrecken zurück. Auch die leichten Kopfschmerzen machten sich wieder bemerkbar. Ihre Gelassenheit regte mich zum Widerspruch an. »Ein junger Dackel läßt sich nicht programmieren«, sagte ich, »mit Menschen läßt sich das vielleicht machen…«
    »Alles läßt sich programmieren«, wurde ich belehrt, »auch dein kleiner Hund. Sogar der Wurm, die Maus, jedes Insekt und selbst ein Elektron lassen sich programmieren.«
    »Schön«, lenkte ich ein, »soll es so sein. Aber programmieren heißt noch lange nicht selbständig denken. Man hat ganze Völker durch eine Massensuggestion für den Krieg programmiert…«
    »Ich weiß es von Vater. Die Überlebenden werden klüger geworden sein und gründlicher nachdenken.«
Sie sagte das so kühl und sachlich, als wäre sie in diesem Augenblick selbst nur ein Elektronengehirn. Ich band Waldi fest und ging nach nebenan. Aul folgte mir. Auch hier waren Töpfe und Krüge heruntergefallen. Ich schob die Scherben mit dem Fuß zusammen und dachte: Was ist sie für ein Wesen? Nie könnte sie zur Erde gehören, ihre

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