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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Heimat wird immer dieses physikalische Etwas bleiben, das sie »Quil« nennt. Sie analysiert das Leben, sie liebt es nicht. Vielleicht ist das von ihrer Warte aus richtig. Empfindungen wie Mitleid, Trauer oder Empörung mögen hier unangebracht sein, ein überflüssiger Luxus, der sogar lebensgefährlich werden könnte. Sie haben Empfindungen längst durch etwas anderes ersetzt, durch Logik vielleicht oder was weiß ich…
Ich fühlte plötzlich ihre Hand auf meiner Schulter, hörte sie flüstern: »Ich weiß genau, was jetzt in dir vorgeht. Gerade deswegen will ich mit dir zur Erde zurück. Ich will alles mit dir teilen: deine Träume und Hoffnungen, deine Furcht und Trauer, deinen Zorn und deine Liebe. Glaub mir, ich werde sein wie die andern…«
»Du würdest unglücklich werden, Aul. Was könnte dir die Erde geben?«
»Dich.«
»Unprogrammiert?«
»So, wie du bist.«
Wir setzten uns auf unser Bett. Ihre Worte stimmten mich froh, ließen mich das Vergangene vergessen. Ich küßte sie. In ihrer leidenschaftlichen Umarmung verspürte ich erneut das Kribbeln auf der Haut. »Sternschnuppe, gibt es hier Ameisen?«
»Ja, die Kleinen haben aus Versehen einige Ameiseneier in einem Klumpen Erde mit heraufgebracht. Weshalb fragst du jetzt danach?«
»Nur so, es fiel mir gerade ein.« Ich kratzte mich verstohlen. Sie hatten hoffentlich nicht auch Wanzen und Flöhe aus Versehen mit raufgeschleppt…
Aul kuschelte sich an mich. »Weißt du, daß Vater mich dir zur Frau geben will?«
»Er deutete so etwas an.«
»Freust du dich?«
Was hätte ich antworten sollen? Einen Ehekontrakt gab es hier nicht. »Natürlich, Aul. Es wird wunderbar sein, wenn du mit dem Segen deines Vaters mein Weib geworden bist.«
»Nun nennst du mich selbst Weib. Bin ich nicht dein steiler Zahn?«
»Ja«, sagte ich seufzend. Das Hautjucken wurde unerträglich. »Hast du viele Kebsweiber auf der Erde?«
Mit ihrer Fragerei brachte sie mich ganz durcheinander. Als ich schwieg, wiederholte sie ihre absurde Frage.
»Hundertzweiundzwanzig«, sagte ich und legte mich quer übers Bett.
»Hundertzweiundzwanzig Kebsweiber?« rief sie erschrocken. »Ich glaube, so viele besaß nicht einmal Bil-sar-ussur.« Sie zerzauste mein Haar, alberte herum, küßte mich und biß mich in die Ohrläppchen. »Nie hätte ich das von dir gedacht…«
Ich wälzte mich hin und her. Aul faßte es falsch auf, bis ich endlich rief: »Sternschnuppe, ich bin entweder krank, oder ihr habt hier kosmisches Ungeziefer.« Ich kratzte mich und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
Sie sah mich aufmerksam an und fing an zu lachen.
»Warum lachst du?« fragte ich schläfrig.
»Es ist doch zu dumm«, hörte ich sie sagen, »ausgerechnet jetzt läßt bei dir die Wirkung des Konzentrates nach…«
Mich umfing eine wohltuende Müdigkeit. Ich streckte mich aus, fühlte noch, wie sie mir das Federkissen unter den Kopf schob und mir einen Kuß gab.

12
    Sonderbarer verworrener Traum, Alpdruck und Ohnmacht, waches Dahindämmern. Ich öffnete die Augen und schloß sie wieder, grübelte. Ein surrendes Geräusch drang an mein Ohr, gleichmäßig monoton. Es verfolgte mich seit Stunden durch irrsinnige Träume, löste immer neue Assoziationen aus.
    Es hatte mich auf die Erde geführt, wo inmitten der Stadt ein gewaltiger Ochse über einem Holzkohlenfeuer am Spieß gedreht wurde. Später kam das Geräusch von einem vierrädrigen Karren, auf dem ich gefesselt saß. Man fuhr mich zur Hinrichtung, aber Aul kam rechtzeitig mit ihrem Raumtransporter und rettete mich. Während wir hinaufschwebten, schrie mir ein Chor von Robotern fortwährend Hamlets »Sein oder Nichtsein« in die Ohren…
    Jetzt aber war ich erwacht, doch das surrende Geräusch war noch immer zu hören. Wie lange hatte ich geschlafen?
Die Scherben der zerbrochenen Krüge und Töpfe waren fortgeräumt, auf dem Tisch stand eine kleine Vase aus durchsichtigem Material, ein rubinroter Stein glitzerte darin. Ich beachtete die Vase nicht weiter, denn noch immer beschäftigte mich das merkwürdige Summen. Dann hörte ich einen neuen Ton; er kam aus meinem Bauch. Mein Magen knurrte. Hunger, ich bin hungrig! jubelte ich und stieg aus dem Bett. Es mußte doch herauszufinden sein, woher das andere Geräusch kam.
In der Töpferwerkstatt entdeckte ich die Geräuschquelle. Hingebungsvoll drehte Auls Vater die Töpferscheibe, er formte eine neue Vase. Neben ihm stand Fritzchen, aus dem Garten drang Waldis Gekläff herein. Ich wünschte guten Morgen.
Der Alte

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