Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
bevor er nicht sicher war, dass Madeleine wirklich ein Kind bekam.
»JOAN.« Michael legte ihr die Hand auf den Arm, um zu verhindern, dass sie aus der Kutsche sprang. »Seid Ihr Euch wirklich sicher ? Ich meine, wenn Ihr Euch noch nicht ganz bereit fühlt, dürft Ihr gern in meinem Haus wohnen, bis …«
»Ich bin bereit.« Sie sah ihn nicht an, ihr Gesicht war weiß wie ein Stück Schmalz. »Bitte lasst mich gehen.«
Widerstrebend ließ er ihren Arm los, bestand aber darauf, mit ihr auszusteigen und an der Pforte zu läuten, um der Pförtnerin ihr Anliegen vorzutragen. Dabei konnte er die ganze Zeit spüren, dass sie zitterte wie Pudding. Doch war es Angst oder nur verständliche Aufregung? Er würde sich selbst ein wenig wackelig fühlen, dachte er voll Mitgefühl, wenn er einen solchen Schritt tun würde, ein neues Leben beginnen würde, das so anders war als alles, was bis jetzt gewesen war.
Die Pförtnerin entfernte sich, um die Postulantenmeisterin zu holen, und ließ sie in dem kleinen Vorhof neben dem Pförtnerhaus zurück. Von hier überblickte er einen sonnigen Innenhof mit einem Arkadengang auf der anderen Seite und rechts einem Garten, der nach einem reich bestückten Gemüsegarten aussah. Links ragte das Hospital auf, das der Orden unterhielt, und dahinter die anderen Gebäude, die zum Konvent gehörten. Es war ein schönes Kloster, dachte er – und hoffte, dass der Anblick ihr die Angst nehmen würde.
Sie stieß ein unartikuliertes Geräusch aus, und als er sie ansah, stellte er alarmiert fest, dass Tränen ihre Wangen zu befeuchten schienen.
»Joan«, sagte er, ruhiger diesmal, und reichte ihr sein frisches Taschentuch. »Hab keine Angst. Wenn du mich brauchst, lass mich rufen, egal wann; ich komme. Und das mit den Briefen habe ich ernst gemeint.«
Er hätte noch mehr gesagt, doch in diesem Moment kehrte die Pförtnerin zurück, begleitet von Schwester Eustacia, der Postulantenmeisterin, die Joan mit einer gütigen Mütterlichkeit begrüßte, die sie zu beruhigen schien, denn Joan holte tief Luft und richtete sich auf. Sie griff in ihre Tasche und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor, das sie offenbar mit großer Sorgfalt auf der Reise bei sich getragen hatte.
» J’ai une lettre «, sagte sie stockend auf Französisch. Pour Madame la … pour … die Ordensmutter?«, sagte sie leise. »Mutter Hildegarde?«
» Oui?« Schwester Eustacia nahm den Brief mit derselben Sorgfalt entgegen, mit der er ihr gereicht wurde.
»Er ist von … ihr«, sagte Joan zu Michael, da ihr offenbar das Französisch ausgegangen war. Sie sah ihn immer noch nicht an. »Papas … äh … Frau. Du weißt schon. Claire.«
»Jesus!«, entfuhr es Michael, so dass ihn sowohl die Pförtnerin als auch die Postulantenmeisterin tadelnd ansahen.
»Sie sagt, sie war eine Freundin von Mutter Hildegarde. Und falls sie noch leben sollte …« Sie warf einen verstohlenen Blick auf Schwester Eustacia, die ihren Worten gefolgt zu sein schien.
»Oh, natürlich lebt Mutter Hildegarde noch«, versicherte sie Joan auf Englisch. »Und sie wird bestimmt neugierig darauf sein, sich mit Euch zu unterhalten.« Sie steckte den Brief in ihre geräumige Tasche und streckte die Hand aus. »Nun, Kind, wenn Ihr dann bereit seid …«
» Je suis prêt «, sagte Joan zittrig, aber würdevoll. Und so durchschritt Joan MacKimmie aus Balriggan die Pforte des Konvents Unserer Lieben Frau der Engelskönigin, Michael Murrays sauberes Taschentuch fest in der Hand, eingehüllt in den Duft der Seife seiner verstorbenen Frau.
MICHAEL HATTE SEINE KUTSCHE davongeschickt und wanderte ruhelos durch die Stadt, nachdem er Joan im Konvent zurückgelassen hatte. Er wollte nicht nach Hause gehen. Er hoffte, dass sie gut zu ihr sein würden, hoffte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Natürlich, so tröstete er sich, würde sie ja erst einmal gar keine richtige Nonne sein. Er wusste nicht genau, wie lange es dauerte vom Eintritt als Postulantin bis zum Noviziat und dann bis zum endgültigen Gelöbnis der Armut, Keuschheit und des Gehorsams, doch es waren mindestens einige Jahre. Sie würde Zeit haben, sich sicher zu werden. Und immerhin war sie an einem sicheren Ort; ihre angstvolle, verstörte Miene, als sie durch die Konventspforte gehastet war, hing ihm immer noch nach. Er schlenderte zum Fluss, wo das Abendlicht auf dem Wasser leuchtete wie ein Bronzespiegel. Die Bootsleute waren müde, und die lauten Stimmen des Tages waren
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