Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
waren fleißig gewesen; am Rand des bereits existierenden Lagers war eine neue kleine Zeltstadt entstanden, aus der verlockende Düfte nach gebratenem Fleisch und gekochtem Tee aufstiegen.
    Zweifellos war es Tom gelungen, irgendwo in dem Gewimmel sein Zelt aufzubauen. Doch er hatte keine Eile, es zu finden; er genoss das ungewohnte Gefühl, nach der wochenlangen Enge an Bord des Schiffes festen Boden unter den Füßen zu haben und für sich zu sein. Er schlug einen Bogen um die ordentlich aufgereihten neuen Zelte und hielt sich knapp jenseits des Fackelscheins, so dass er sich angenehm unsichtbar fühlte, ohne die Sicherheit des Lagers zu verlassen – zumindest hoffte er das. Der Wald begann nur ein paar Meter weiter; Bäume und Büsche waren als Umrisse zu erkennen, denn es war noch nicht vollständig dunkel.
    Ein schwebender grüner Funke fiel ihm ins Auge, und er spürte, wie Entzücken in ihm aufstieg. Da war noch einer … und noch einer … zehn, ein Dutzend, und plötzlich war die Luft voller Glühwürmchen, sanft blinkende Funken, die wie ferne Kerzen im dunklen Laub glommen. Er hatte schon ein- oder zweimal Glühwürmchen gesehen, in Deutschland, aber nie in solchen Massen. Sie waren pure Magie, so rein wie der Mondschein.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange er sie beobachtete, während er langsam am Rand des Lagers entlangwanderte, doch schließlich seufzte er und wandte sich der Lagermitte zu, satt, angenehm müde und ohne unmittelbare Aufgaben, um die er sich kümmern musste. Er hatte keine Männer zu befehligen, keine Berichte zu schreiben … eigentlich gar nichts, bis er Gareon und Charlie Carruthers erreichte.
    Tom und sein Zelt fand er mühelos, und mit einem friedvollen Seufzer schloss er den Zelteingang und legte seine Oberkleider ab.
    Er war kurz vor dem Einschlafen, als er von Schreien geweckt wurde, und fuhr senkrecht hoch. Tom, der zu Greys Füßen in seinem Schlafsack geschlafen hatte, schoss wie ein Frosch auf alle viere hoch und tastete hektisch nach Pistole und Munition in der Truhe.
    Ohne zu warten, packte Grey den Dolch, den er vor dem Schlafengehen an den Zeltpfosten gehängt hatte, schlug den Eingang zurück und blickte hinaus. Männer rannten hin und her, kollidierten mit Zelten, brüllten Befehle, schrien um Hilfe. Am Himmel war ein Glühen zu sehen, die tief hängenden Wolken färbten sich rot.
    »Brander!«, rief eine Stimme. Grey schob die Füße in seine Schuhe und schloss sich dem Gewimmel der Männer an, die jetzt zum Wasser rannten.
    Draußen in der Flussmitte lag die massige Harwood vor Anker. Und ihr näherten sich langsam erst ein, zwei, dann drei brennende Fahrzeuge – ein Floß, auf dem man brennbare Abfälle aufgetürmt und diese in Öl getränkt und angezündet hatte. Ein kleines Boot, dessen Mast und Segel in der Dunkelheit lichterloh in Flammen standen. Noch eins – ein Indianerkanu mit einem Haufen aus brennendem Gras und Laub? Zu weit entfernt, um es zu erkennen, doch es kam beständig näher.
    Er spähte zum Schiff hinüber und sah, dass an Deck Bewegung herrschte – zu weit entfernt, um einzelne Männer auszumachen, doch es tat sich etwas. Das Schiff konnte den Anker nicht lichten und davonsegeln, nicht mehr rechtzeitig – doch es ließ seine Boote zu Wasser; die Seeleute würden versuchen, die Branderschiffe abzuwenden und sie von der Harwood fernzuhalten.
    Er war so gebannt von diesem Anblick, dass er die Rufe und Schreie nicht bemerkt hatte, die immer noch vom anderen Ende des Lagers kamen. Doch jetzt, als die Männer am Ufer verstummten, während sie die Branderschiffe beobachteten, kam Bewegung in die Menge, und mit Verzögerung dämmerte ihnen, dass noch etwas anderes vor sich ging.
    »Indianer«, sagte der Mann neben Grey plötzlich, als ein besonders schriller, trillernder Schrei die Luft zerschnitt. »Indianer!«
    Der Ausruf breitete sich aus, und alle begannen, in die andere Richtung zu rennen.
    »Halt!« Grey streckte den Arm aus, traf einen Mann an der Kehle und warf ihn zu Boden. Er erhob die Stimme in der vergeblichen Hoffnung, den Ansturm aufhalten zu können. »Ihr da! Ihr und Ihr – haltet Eure Nebenmänner auf und kommt mit mir!« Der Mann, den er niedergeworfen hatte, sprang wieder auf; seine Augen schimmerten weiß im Sternenschein.
    »Es könnte eine Falle sein!«, rief Grey. »Bleibt hier!«
    »Halt! Halt!« Ein kleiner Soldat im Nachthemd wiederholte den Ruf mit voluminöser Stimme und unterstrich ihn noch, indem er einen Ast vom

Weitere Kostenlose Bücher