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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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jetzt, ihr Mistkerle. Bewegung, Bewegung!«
    Tom stieß einen erstickten Aufschrei aus, und Grey fuhr herum und zog unwillkürlich den Dolch. Direkt hinter ihm stand eine dunkle Gestalt.
    »Bringt mich nicht um, Engländer«, sagte der Indianer, der sie vorhin zum Lager geführt hatte. Er klang leise belustigt. » Le capitaine hat mir aufgetragen, Euch zu suchen.«
    »Warum?«, fragte Grey knapp. Er hatte immer noch Herzklopfen von dem Schreck. Er hasste es, überrumpelt zu werden, und noch mehr hasste er den Gedanken, dass der Mann ihn problemlos hätte töten können, bevor Grey ihn auch nur bemerkte.
    »Die Abenaki haben Euer Zelt in Brand gesteckt; er vermutete, sie hätten Euch und Euren Diener vielleicht in den Wald verschleppt.«
    Tom stieß einen extrem groben Fluch aus und machte Anstalten, schnurstracks in den Wald zu laufen, doch Grey packte ihn am Arm und hielt ihn auf.
    »Bleibt hier, Tom. Es spielt keine Rolle.«
    »Ihr habt gut reden«, erwiderte Tom hitzig, denn in der Aufregung vergaß er seine Manieren. »Ich kann bestimmt neue Unterwäsche für Euch auftreiben, auch wenn das nicht leicht wird, aber was ist mit dem Gemälde Eurer Cousine mit ihr und dem Kleinen, das sie Euch für Hauptmann Stubbs mitgegeben hat? Was ist mit Eurem guten Hut mit der Goldlitze?«
    Im ersten Moment war Grey alarmiert – seine junge Cousine Olivia hatte ihm eine Miniatur mitgegeben, auf der sie und ihr neugeborener Sohn abgebildet waren, und ihm aufgetragen, sie ihrem Mann zu überbringen, Hauptmann Malcolm Stubbs, gegenwärtig bei Wolfes Armee. Doch er schlug sich an die Seite und spürte erleichtert das Oval der eingepackten Miniatur unversehrt in seiner Tasche.
    »Schon gut, Tom. Ich habe das Bild. Was den Hut betrifft … darum können wir uns später Sorgen machen, denke ich. Hier – wie ist Euer Name, Sir?«, fragte er den Indianer, den er ungern einfach mit He da ansprechen wollte.
    »Manoke«, sagte der Indianer, der nach wie vor belustigt klang.
    »Ah. Würdet Ihr meinen Bediensteten zum Lager zurückbringen?« Er machte Sergeant Cutters kleine, entschlossene Gestalt am anderen Ende des Pfades aus. Unbeeindruckt ignorierte Grey Toms Einwände und schickte ihn in der Obhut des Indianers davon.
    SCHLIESSLICH TRIEBEN ALLE FÜNF Branderschiffe entweder vorüber oder wurden an der Harwood vorbeigelenkt. Etwas, das möglicherweise ein Enterboot war – möglicherweise auch nicht – tauchte weiter stromaufwärts auf, wurde aber von Greys improvisierter Truppe am Ufer mit Musketen- und Gewehrsalven verjagt, obwohl deren Reichweite deutlich zu kurz war; es war unmöglich, tatsächlich etwas zu treffen.
    Dennoch, die Harwood war unversehrt geblieben, und das Lager war in einem Zustand beklommener Wachsamkeit zur Ruhe gekommen. Nach seiner Rückkehr kurz vor dem Morgengrauen hatte Grey Woodford aufgesucht und erfahren, dass der Überfall zwei Männer das Leben gekostet hatte und dass drei weitere verschleppt worden waren. Drei Indianer waren getötet worden, ein weiterer verletzt – Woodford beabsichtigte, den Mann vor seinem Tod zu verhören, bezweifelte jedoch, dass er dabei etwas Nützliches erfahren würde.
    »Sie reden nie«, hatte er gesagt und sich die vom Rauch geröteten Augen gerieben. Sein Gesicht war aufgedunsen und grau vor Erschöpfung. »Sie schließen einfach die Augen und fangen an, ihren verdammten Totengesang zu singen. Ganz egal, was man ihnen antut – sie singen einfach weiter.«
    Grey hatte es gehört – zumindest glaubte er das –, als er zu Beginn der Dämmerung in seine geborgte Zuflucht kroch. Ein schwacher, hoher Singsang, der sich hob und senkte wie das Rauschen in den Baumwipfeln. Er dauerte eine Weile an, dann verstummte er abrupt, um schließlich erneut zu beginnen, leise und mit Unterbrechungen, während Grey am Rand des Einschlafens verharrte.
    Was mochte der Mann wohl sagen?, fragte er sich. Ob es eine Rolle spielte, dass keiner der Männer in seiner Hörweite ihn verstand? Vielleicht war ja der Kundschafter – Manoke, so hieß er – dabei; vielleicht verstand er ihn.
    Tom hatte ein kleines Zelt am Ende einer Reihe für Grey ausfindig gemacht. Wahrscheinlich hatte er einen Subalternen daraus vertrieben, doch Grey war nicht in der Stimmung zu protestieren. Es war gerade eben groß genug für den Leinenschlafsack auf dem Boden und eine Kiste, die als Tisch diente und auf der ein leerer Kerzenständer stand, doch es war ein Unterschlupf. Es hatte schwach zu regnen begonnen, als er

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