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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Hildegardes Augen gefährlich verengten.
    Die Augen wurden groß.
    »Sie … was ?«
    »Stimmen«, wiederholte er hilflos. »Sie kommen und sagen Dinge zu ihr. Sie meint, dass es vielleicht Engel sind, aber sie weiß es nicht. Und sie kann sehen, wenn jemand sterben wird. Manchmal«, fügte er skeptisch hinzu. »Ich weiß nicht, ob sie es immer sieht.«
    » Par le sang sacré de Jésus-Christ «, sagte die alte Nonne und setzte sich so aufrecht hin wie ein Eichenschössling. »Warum hat sie denn nichts – nun, das tut jetzt nichts zur Sache. Weiß noch jemand davon?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Sie hatte Angst, es jemandem zu erzählen. Das ist der Grund – nun ja, einer der Gründe –, warum sie ins Kloster gegangen ist. Sie meinte, Ihr würdet ihr vielleicht glauben.«
    »Vielleicht«, sagte Mutter Hildegarde trocken. Sie schüttelte den Kopf so schnell, dass ihr Schleier flatterte. » Nom de nom! Warum hat mir ihre Mutter das denn nicht erzählt?«
    »Ihre Mutter?«, sagte Michael verständnislos.
    »Ja! Sie hat mir einen Brief von ihrer Mutter mitgebracht, sehr gütig. Sie hat sich nach meiner Gesundheit erkundigt und mir Joan ans Herz gelegt – aber ihre Mutter muss doch davon gewusst haben!«
    »Ich glaube nicht, dass sie … Halt!« Er erinnerte sich daran, wie Joan den sorgfältig zusammengefalteten Brief aus ihrer Tasche geholt hatte. »Der Brief, den sie mitgebracht hat – er war von Claire Fraser. Ist das der Brief, den Ihr meint?«
    »Natürlich!«
    Er holte tief Luft, und ein Dutzend unzusammenhängende Stückchen fügten sich plötzlich zu einem Muster zusammen. Er räusperte sich und hob zögernd einen Finger.
    »Erstens: Claire Fraser ist die Frau von Joans Stiefvater. Aber sie ist nicht Joans Mutter.«
    Die scharfen schwarzen Augen blinzelten.
    »Und zweitens: Mein Vetter Jared sagte mir, dass Claire Fraser als … als Weiße Dame bekannt war, als sie vor Jahren in Paris gelebt hat.«
    Mutter Hildegarde schnalzte aufgebracht mit der Zunge.
    »Sie war nichts dergleichen. Unfug! Doch es ist wahr, dass es diesbezüglich ein weitverbreitetes Gerücht gab«, gab sie widerstrebend zu. Sie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch; sie waren knotig vom Alter, aber überraschend beweglich, und ihm fiel ein, dass er gehört hatte, dass Mutter Hildegarde in ihrer Jugend eine berühmte Musikerin gewesen war.
    »Mutter …«
    »Ja?«
    »Ich weiß nicht, ob es etwas damit zu tun … Ist Euch ein Mann namens der Graf von St. Germain bekannt?«
    Die alte Nonne hatte ohnehin die Farbe von Pergament; bei diesen Worten wurde sie totenblass, und ihre Finger umklammerten die Schreibtischkante.
    »Ja«, sagte sie. »Erzählt mir – und zwar schnell –, was er mit Schwester Gregory zu tun hat.«
    DER FORM HALBER versetzte Joan der stabilen Tür einen letzten Tritt, dann drehte sie sich um und ließ sich keuchend mit dem Rücken dagegensinken. Das Zimmer war riesig. Es erstreckte sich über das gesamte obere Stockwerk des Hauses, auch wenn hier und dort Stütz- und Querbalken noch anzeigten, wo Wände niedergerissen worden waren. Es roch merkwürdig, und es sah noch merkwürdiger aus.
    » A Dhia, cuidich mi «, flüsterte sie und verfiel in ihrer Nervosität ins Gälische. In der einen Ecke stand ein extravagantes Bett, auf dem sich zahlreiche Kissen türmten. Es hatte seltsam gewundene Eckpfosten und schwere Vorhänge aus einem mit Silber und Gold bestickten Stoff. Schleppte der Graf etwa regelmäßig junge Frauen zu finsteren Zwecken hier herauf? Denn er hatte dieses Etablissement wohl kaum speziell in Erwartung ihres Besuchs eingerichtet … Die Fläche rings um das Bett war mit massiven Möbelstücken und Marmortischchen ausgestattet, deren beunruhigende Messingfüße aussahen, als stammten sie von einem Tier oder einem Vogel mit großen, gekrümmten Krallen.
    Er hatte ihr gerade in aller Seelenruhe mitgeteilt, er sei auch ein Zauberer, und sie solle nichts anfassen. Sie bekreuzigte sich und wandte den Blick schaudernd von dem Tisch mit den wirklich gruseligsten Füßen ab, die sie je gesehen hatte; vielleicht hatte er ja das Mobiliar verzaubert, und genau dieser Tisch wurde in der Dunkelheit lebendig und spazierte umher. Bei diesem Gedanken begab sie sich hastig ans andere Ende des Zimmers, den Rosenkranz fest mit einer Hand umklammert.
    Diese Seite des Zimmers war zwar kaum weniger beunruhigend, doch zumindest sah es nicht so aus, als könnten die großen bunten Kugeln, Gläser und Röhren aus Glas von

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