Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
die Kante gehievt wurde. Er sah die bateaux ein weiteres Mal wie einen Schwalbenschwarm herbeisegeln, nachdem sie den Fluss überquert und weitere 1200 Mann abgeholt hatten, die Wolfe nach Levi am gegenüberliegenden Ufer hatte marschieren lassen, mit der Order, sich im Wald versteckt zu halten, bis die Highlander ihre Brauchbarkeit unter Beweis gestellt hatten.
Ein ausgiebig fluchender Kopf schob sich über die Felskante. Der dazugehörige Körper kam mit einem Satz in Sicht, stolperte und landete zu Greys Füßen.
»Sergeant Cutter!«, sagte Grey und bückte sich grinsend, um dem kleinen Sergeanten auf die Beine zu helfen. »Ihr hattet wohl auch Lust auf eine Kletterpartie, wie?«
»Gottverdammt«, erwiderte der Sergeant und strich sich heftig den Schmutz vom Rock. »Wehe, wir gewinnen nicht, das ist alles, was ich sagen kann.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich um und brüllte die Klippen hinunter: »Bewegung, ihr verdammten Schufte! Habt Ihr denn alle Blei gefrühstückt? Scheißt es aus und bewegt euch! Klettert , gottverdammtnochmal!«
Das Resultat dieser gewaltigen Anstrengungen war, dass, als die Morgendämmerung ihren goldenen Glanz über die Abrahamsebene breitete, die französischen Wachtposten auf den Mauern der Zitadelle Quebec ungläubig die Münder aufrissen angesichts von viertausend britischen Soldaten, die sich in Schlachtformation vor ihnen aufgebaut hatten.
Durch sein Teleskop konnte Grey die Wachtposten sehen. Die Entfernung war zu groß, um ihre Mienen auszumachen, doch ihre Aufregung und Bestürzung waren auch so leicht zu erkennen. Er grinste, als er beobachtete, wie sich ein französischer Offizier kurz an den Kopf fasste und dann mit den Armen wedelte wie jemand, der eine Hühnerschar auseinandertreibt, um seine Untergebenen in alle Richtungen zu entsenden.
Wolfe stand auf einem kleinen Hügel, die lange Nase erhoben, als wollte er die Morgenluft erschnüffeln. Grey vermutete, dass er dies für eine noble und gebieterische Pose hielt. Er erinnerte Grey allerdings eher an einen Dackel, der einen Dachs wittert. Die hellwache Einsatzbereitschaft war jedoch die gleiche.
Wolfe war nicht der Einzige. Trotz der Anstrengungen der Nacht, trotz ihrer aufgeschürften Hände, ihrer blauen Schienbeine, ihrer verdrehten Knie und Knöchel und des Mangels an Essen und Schlaf lief eine freudige Erregung durch die Truppen wie genossener Wein. Grey glaubte, dass sie alle beschwipst vor Erschöpfung waren.
Der Klang von Trommeln drang schwach mit dem Wind zu ihm: die Franzosen, die hastig ihre Männer zur Einsatzbereitschaft riefen. Innerhalb von Minuten sah er Reiter von der Festung davonhasten und lächelte grimmig. Sie würden sämtliche Männer zusammentrommeln, die Montcalm in Rufweite hatte, und bei ihrem Anblick spannten sich seine Bauchmuskeln an.
Eigentlich hatte es gar keinen Zweifel gegeben; es war September, und der Winter war nunmehr im Anmarsch. Dank Wolfes Politik der verbrannten Erde waren Stadt und Festung nicht in der Lage gewesen, Vorräte für eine lange Belagerung anzulegen. Die Franzosen waren dort, die Engländer vor ihnen – und die simple Tatsache, die für beide Seiten offensichtlich war, war, dass die Franzosen lange vor den Engländern verhungern würden. Montcalm würde kämpfen; ihm blieb nichts anderes übrig.
Viele der Männer hatten Wasserflaschen mitgebracht, einige etwas zu essen. Man erlaubte ihnen, sich ein wenig zu entspannen, zu essen, ihren Muskeln Erholung zu gönnen – obwohl keiner von ihnen den Blick von den Franzosen abwandte, die sich vor der Festung sammelten. Grey, der wieder zu seinem Teleskop griff, konnte erkennen, dass die Menge der Männer zwar wuchs, doch es waren alles andere als ausnahmslos ausgebildete Soldaten. Montcalm hatte seine Milizen aus dem Hinterland gerufen – dem Aussehen nach Farmer, Fischer und coureurs du bois – und seine Indianer. Grey betrachtete die bemalten Gesichter und die geölten Haarknoten argwöhnisch, doch seine Bekanntschaft mit Manoke hatte den Indianern viel von ihrem Schrecken geraubt – und auf offenem Terrain und gegen Kanonen würden sie nicht annähernd so viel ausrichten können wie auf Schleichpfaden im Wald.
Montcalm brauchte überraschend wenig Zeit, um seine Truppen in Kampfbereitschaft zu versetzen, obwohl sie so improvisiert waren. Die Sonne stand etwa auf halber Höhe, als die französischen Linien ihren Vormarsch begannen.
» Nicht feuern, ihr verdammten Schurken! Feuert, bevor man es
Weitere Kostenlose Bücher