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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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werden, war es seine Aufgabe zu antworten. Zweifellos, vermutete Grey, dachte Fraser nun mit aller Gewalt auf Französisch, um sein Gehirn mit dieser Sprache zu durchtränken, damit ihm nicht in Panik ein verirrtes Wort auf Englisch entwischte.
    » De rien «, murmelte Grey zurück, und Fraser gluckste leise.
    Es war bewölkt; der Himmel war mit den zerrissenen Überresten abziehender Regenwolken überzogen. Das war gut; die Oberfläche des Flusses war nicht glatt, sondern voller schwacher Lichtflecken, und sie wurde von Steinen und dahintreibenden Ästen durchbrochen. Dennoch hätte jeder anständige Wachtposten eine Reihe von Booten bemerken müssen.
    Sein Gesicht war taub vor Kälte, doch seine Handflächen waren verschwitzt. Wieder fasste er an den Dolch an seinem Gürtel; ihm war zwar bewusst, dass er die Waffe alle paar Minuten berührte, so als müsste er sich vergewissern, dass sie noch da war, doch er konnte nicht anders und machte sich deswegen lieber keine Gedanken. Er hielt angestrengt Ausschau nach irgendetwas – dem Leuchten eines unvorsichtigen Feuers, der Bewegung eines Felsens, der kein Fels war … nichts.
    Wie weit noch?, fragte er sich. Zwei Meilen, drei? Er hatte die Klippen selbst noch nicht gesehen, war sich nicht sicher, wie weit sie von Gareon entfernt lagen.
    Das Rauschen des Wassers und die sanfte Bewegung des Bootes begannen ihn trotz seiner Anspannung einzulullen, und er schüttelte den Kopf und gähnte übertrieben, um den Anflug abzuwehren.
    »Quel est ce bateau?« Was ist das für ein Boot? Der Ruf vom Ufer war beinahe eine Enttäuschung, als er kam, kaum bemerkenswerter als der Ruf eines Nachtvogels. Doch im nächsten Moment drückte Frasers Hand die seine so fest, dass die Knochen knirschten, als Fraser krampfhaft Luft holte und rief: »Celui de la Reine!«
    Grey biss die Zähne zusammen, damit ihm kein gotteslästerlicher Fluch entfuhr. Wenn der Wachtposten eine Parole verlangte, wurde er wahrscheinlich für den Rest seines Lebens zum Krüppel gemacht, dachte er. Doch in der nächsten Sekunde rief der Wachtposten: » Passez! «, und Frasers Klammergriff ließ nach. Simon atmete wie ein Blasebalg, doch er stieß ihn sacht an und flüsterte erneut: »Pardon.«
    » De rien , verdammt«, murmelte er, während er sich die Hand rieb und vorsichtig die Finger krümmte.
    Sie näherten sich jetzt der Stelle. Die Männer rutschten angespannt hin und her, noch mehr als Grey, überprüften ihre Waffen, rückten sich die Röcke zurecht, husteten, spuckten ins Wasser, machten sich bereit. Dennoch dauerte es noch eine weitere nervenaufreibende Viertelstunde, bis sie sich dem Ufer zuwandten – und ein weiterer Wachtposten aus dem Dunklen rief.
    Greys Herz ballte sich zusammen wie eine Faust, und fast hätte er aufgekeucht, so stechend schmerzten ihn plötzlich seine alten Wunden.
    » Qui êtes-vous? Que sont ces bateaux?« , wollte eine französische Stimme argwöhnisch wissen. Wer seid Ihr? Was sind das für Boote?
    Diesmal war er vorbereitet und griff selbst nach Frasers Hand. Simon hielt ihn fest, beugte sich zum Ufer hinaus und rief heiser: »Des bateaux de provisions! Taisez-vous – les anglais sont proches!« Vorratsboote! Still – die Briten sind in der Nähe! Grey verspürte ein irres Bedürfnis zu lachen, tat es aber nicht. Natürlich war die Sutherland in der Nähe, die außer Schussweite flussabwärts lauerte, und zweifellos wussten die Froschfresser das. Wie auch immer, der Wachtposten rief diesmal leiser: »Passez!« , und die Reihe der Boote glitt reibungslos vorüber und passierte die letzte Kurve.
    Der Kiel des Bootes knirschte auf Sand, und die Hälfte der Männer war auf der Stelle draußen, um es weiter hinaufzuziehen. Halb sprang, halb fiel Wolfe über Bord – er konnte es kaum erwarten, und jede Spur von Schwermut war verschwunden. Sie waren auf einer kleinen Sandbank direkt vor dem Ufer auf Grund gelaufen; auch die anderen Boote landeten jetzt, und ein Schwarm schwarzer Gestalten sammelte sich wie Ameisen.
    Vierundzwanzig Highlander sollten den Aufstieg als Erste versuchen und für die anderen einen Weg suchen – und ihn so weit wie möglich gleichzeitig frei machen, denn die Klippen wurden nicht nur durch ihre Steilheit verteidigt, sondern auch durch Sperren aus angespitzten Baumstämmen. Simons kräftige Gestalt verschwand in der Dunkelheit, und sein französischer Akzent wechselte unvermittelt ins Gälische über, als er seine Männer in Position zischte. Grey

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