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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Vetter, meine ich«, betonte er hilfreich.
    »Ah. Wie betrüblich.« Grey spürte einen unangenehmen Druck auf der Brust. Er hätte gut ohne diese Komplikation leben können. Falls … »Dieser Vetter – hieß er zufällig Edward Twelvetrees?«
    Dawes sah etwas überrascht aus.
    »Ich glaube, das war sein Name. Ich habe ihn aber nicht gekannt – niemand hier kannte ihn. Er hat die Plantage durch einen Aufseher verwalten lassen.«
    »Ich verstehe.« Er hätte gern gefragt, ob Philip Twelvetrees aus London hergekommen war, um sein Erbe anzutreten, tat es aber nicht. Er wollte keine Aufmerksamkeit erregen, indem er sich besonders auf die Familie Twelvetrees konzentrierte. Dazu blieb noch genug Zeit.
    Er stellte einige weitere Fragen über die zeitliche Abfolge der Überfälle, und Mr. Dawes beantwortete sie prompt. Als es jedoch darum ging, die Gründe der Rebellion zu erklären, konnte ihm der Sekretär plötzlich nicht mehr helfen – was Grey interessant fand.
    »Wirklich, Sir, ich weiß nichts von solchen Dingen«, protestierte Dawes, als Grey weiter nachhakte. »Am besten sprecht Ihr darüber mit Hauptmann Cresswell. Er ist der Superintendent, der für die Aufrührer verantwortlich ist.«
    Das überraschte Grey.
    »Entlaufene Sklaven? Sie haben einen Superintendenten?«
    »Oh. Nein, Sir.« Dawes schien erleichtert zu sein, es wieder mit einer weniger komplexen Frage zu tun zu haben. »Die Aufrührer sind keine entlaufenen Sklaven. Oder vielmehr«, verbesserte er sich, »sie sind zwar theoretisch entlaufene Sklaven, aber diese Bezeichnung ist wenig sinnvoll. Diese Aufrührer sind die Nachkommen von Sklaven, die im letzten Jahrhundert entlaufen und in die Berge gezogen sind. Sie haben dort oben Siedlungen. Doch es ist unmöglich, einen gegenwärtigen Besitzer zu benennen …« Und da die Regierung keine Möglichkeit hatte, sie aufzuspüren und zurückzuschleifen, war die Krone so klug gewesen, einen weißen Superintendenten zu berufen, wie es im Umgang mit Eingeborenen üblich war. Die Aufgabe des Superintendenten war es, Kontakt mit den Schwarzen zu halten und sich um alles zu kümmern, was mit ihnen zu tun hatte.
    Was die Frage aufwarf, dachte Grey: Warum hatte man diesen Cresswell nicht augenblicklich zu ihm gebracht? Er hatte seine Ankunft bekannt gegeben, sobald das Schiff bei Tagesanbruch vor Anker ging, da er Derwent Warren nicht überrumpeln wollte.
    »Wo ist Hauptmann Cresswell denn jetzt?«, fragte er immer noch höflich. Mr. Dawes zog ein unglückliches Gesicht.
    »Ich … äh … fürchte, ich weiß es nicht, Sir«, sagte er und senkte hinter seiner Brille den Blick. Es folgte eine kurze Pause, und Grey hörte einen Vogel im nahen Dschungel rufen.
    »Wo ist er denn normalerweise ?«, fragte Grey schon etwas weniger höflich.
    Dawes kniff die Augen zusammen.
    »Ich weiß es nicht, Sir. Ich glaube, er hat ein Haus in der Nähe von Guthries Schlucht – dort gibt es ein kleines Dorf. Doch natürlich begibt er sich hin und wieder hinauf zu den Ansiedlungen der Schwarzen, um sich mit den …« Er gestikulierte mit seiner kleinen, fetten Hand, weil er kein passendes Wort finden konnte, »… mit den Häuptlingen zu besprechen. Und er hat Anfang des Monats in Spanish Town einen neuen Hut gekauft«, fügte Dawes im Tonfall eines Menschen hinzu, der einen hilfreichen Gesprächsbeitrag leistet.
    »Einen Hut?«
    »Ja. Oh – aber natürlich, das wisst Ihr ja nicht. Es ist Sitte unter den Schwarzen, dass beim Abschluss einer wichtigen Übereinkunft die beteiligten Personen ihre Hüte tauschen. Ihr seht also …«
    »Ja, das tue ich«, sagte Grey und versuchte, sich seine Verärgerung nicht anhören zu lassen. »Würdet Ihr denn so freundlich sein, Mr. Dawes, und jemanden zu Guthries Schlucht schicken – und auch an etwaige andere Orte, an denen Hauptmann Cresswell Eurer Meinung nach zu finden sein könnte? Es liegt auf der Hand, dass ich mit ihm sprechen muss, und zwar so schnell wie möglich.«
    Dawes nickte heftig, doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte irgendwo unten im Haus der satte Klang eines kleinen Gongs. Als wäre das ein Signal gewesen, ließ Greys Magen ein lautes Knurren hören.
    »Abendessen in einer halben Stunde«, sagte Dawes, den Grey bis jetzt noch nicht so glücklich gesehen hatte. Er hastete geradezu zur Tür hinaus, gefolgt von Grey.
    »Mr. Dawes«, sagte er, als er ihn am Kopf der Treppe einholte. »Gouverneur Warren. Glaubt Ihr …«
    »Oh, er wird zum Abendessen kommen«, versicherte

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