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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Krone um den Frachtverkehr zu tun hatte. Inmitten dieses Geplänkels jedoch warf ihm Miss Twelvetrees einen sehr direkten Blick zu und wollte wissen: »Seid Ihr wegen des Gouverneurs hier?«
    »Nan!«, sagte ihr Bruder schockiert.
    »Seid Ihr das?«, wiederholte sie, ohne ihren Bruder zu beachten. Ihre Augen leuchteten, und ihre Wangen waren gerötet.
    Grey lächelte sie an.
    »Darf ich fragen, was Euch auf diesen Gedanken bringt, Ma’am?«
    »Wenn Ihr nicht hier seid, um Derwent Warren aus dem Amt zu jagen, sollte es irgendjemand anderer tun.«
    »Nancy!« Philip war jetzt fast genauso rot angelaufen wie seine Schwester. Er beugte sich vor und fasste sie am Handgelenk. »Nancy, bitte!«
    Sie schien sich ihm entziehen zu wollen, begnügte sich dann aber angesichts seines flehenden Gesichts mit einem schlichten »Hmpf!« und lehnte sich mit verkniffenem Mund zurück.
    Grey hätte zu gern gewusst, was hinter Miss Twelvetrees’ feindseliger Einstellung gegenüber dem Gouverneur steckte, doch er konnte sie ja kaum direkt danach fragen. Stattdessen wechselte er elegant das Thema, indem er sich bei Philip Twelvetrees nach der Produktion seiner Plantage erkundigte und bei Miss Twelvetrees nach der Natur Jamaicas, die ihr am Herzen zu liegen schien, zumindest den hübschen Tier- und Pflanzenaquarellen nach, die überall im Zimmer hingen und die alle fein säuberlich mit N.T. signiert waren.
    Allmählich ließ die Anspannung im Zimmer nach, und Grey wurde bewusst, dass Miss Twelvetrees ihre Aufmerksamkeit betont auf ihn lenkte. Sie flirtete zwar nicht, denn das war nicht ihre Art, doch war sie eindeutig bemüht, als Frau von ihm wahrgenommen zu werden. Ihm war nicht ganz klar, was sie vorhatte – natürlich war er nicht unattraktiv, doch er glaubte eigentlich nicht, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Dennoch versuchte er nicht, sie davon abzubringen; falls Philip sie zusammen allein ließ, konnte er möglicherweise herausfinden, warum sie diese Bemerkung über Gouverneur Warren gemacht hatte.
    Eine Viertelstunde später steckte ein Mulatte in einem gut sitzenden Anzug den Kopf zur Salontür herein und fragte, ob er Philip sprechen könnte. Er warf einen neugierigen Blick auf Grey, doch Twelvetrees machte keinerlei Anstalten, ihn vorzustellen, sondern entschuldigte sich und führte den Besucher – der, wie Grey vermutete, eine Art Aufseher sein musste – zum anderen Ende des großen, luftigen Zimmers, wo sie sich leise miteinander besprachen.
    Augenblicklich nutzte er die Gelegenheit, sich Miss Nancy zuzuwenden, um vielleicht etwas Nützliches zu erfahren.
    »Sehe ich es richtig, dass Ihr mit dem Gouverneur bekannt seid, Miss Twelvetrees?«, fragte er, worauf sie kurz auflachte.
    »Besser, als mir lieb ist, Sir.«
    »Tatsächlich?«, sagte er so einladend wie möglich.
    »Tatsächlich«, sagte sie und lächelte böse. »Doch lasst uns unsere Zeit nicht mit einer … einer Person von solch schlechtem Charakter verschwenden.« Das Lächeln veränderte sich, und sie beugte sich zu ihm hinüber und berührte seine Hand, was ihn überraschte. »Sagt mir, Oberst, seid Ihr in Begleitung Eurer Gemahlin hier? Oder ist sie in London geblieben, weil sie Angst vor Seuchen und Sklavenrevolten hat?«
    »Ich bin leider nicht verheiratet, Ma’am«, sagte er und dachte, dass sie wahrscheinlich eine ganze Menge mehr wusste, als ihrem Bruder lieb sein konnte.
    »Tatsächlich«, sagte sie noch einmal, diesmal in einem völlig anderen Ton.
    Ihre Berührung verweilte den Bruchteil einer Sekunde zu lange auf seiner Hand. Nicht so lange, dass es schamlos gewesen wäre, aber lange genug, um von einem normalen Mann wahrgenommen zu werden. Greys Reflexe wiederum waren in dieser Hinsicht notwendigerweise viel besser entwickelt als die eines normalen Mannes.
    Er dachte kaum bewusst darüber nach, sondern lächelte sie an. Dann blickte er zu ihrem Bruder hinüber, dann zurück, mit einem winzigen bedauernden Achselzucken. Er verkniff es sich, das kleine Lächeln hinzuzufügen, das »später« gesagt hätte.
    Sie saugte einen Moment an ihrer Unterlippe, dann ließ sie sie feucht und gerötet wieder los und warf ihm mit gesenkten Lidern einen Blick zu, der »später« und noch einiges mehr sagte. Er hüstelte, und weil er einfach etwas sagen musste, das von jeder Anzüglichkeit frei war, fragte er abrupt: »Wisst Ihr, was ein Obeah-Mann ist, Miss Twelvetrees?«
    Sie bekam große Augen und hob ihre Hand von seinem Arm. Es gelang ihm, sich aus

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