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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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leichenblass.
    »Nein«, sagte sie abrupt. Es war zwar riskant, doch er ergriff ihre Hand, um zu verhindern, dass sie sich abwandte.
    »Ich kann Euch nicht sagen, warum ich es wissen muss«, sagte er sehr leise, »aber bitte glaubt mir, Miss Twelvetrees – Nancy …« Er drückte ihr schamlos die Hand. »Es ist von großer Wichtigkeit. Jede Hilfe, die ich von Euch bekommen kann, wäre – nun, ich wüsste sie extrem zu schätzen.« Ihre Hand war warm; die Finger bewegten sich schwach in den seinen, und zwar nicht, um sich zu befreien. Ihr Gesicht bekam wieder Farbe.
    »Ich weiß wirklich nicht viel«, sagte sie genauso leise. »Nur dass Zombies Tote sind, die durch Zauberei erweckt werden, um der Person, die sie erweckt hat, zu Willen zu sein.«
    »Die Person, die sie erweckt – das wäre der Obeah-Mann?«
    »Oh! Nein«, sagte sie überrascht. »Die Koromantyn erwecken keine Zombies – sie halten es sogar für unrein, das zu tun.«
    »Da bin ich ganz ihrer Meinung«, versicherte er ihr. »Wer erweckt denn Zombies?«
    »Nancy!« Philip hatte sein Gespräch mit dem Aufseher beendet und kam auf sie zu, ein freundliches Lächeln in seinem breiten, verschwitzten Gesicht. »Können wir denn nichts zu essen bekommen? Der Oberst muss doch ausgehungert sein, und mir knurrt auch schon der Magen.«
    »Ja, natürlich«, sagte Miss Twelvetrees mit einem raschen, warnenden Blick in Greys Richtung. »Ich sage der Köchin Bescheid.« Grey drückte ihr noch einmal kurz die Finger, und sie lächelte ihn an.
    »Wie ich schon sagte, Oberst, Ihr müsst Mrs. Abernathy auf Rose Hall besuchen. Sie ist die Person, die Euch am meisten erzählen kann.«
    »Erzählen?« Ausgerechnet in diesem Moment beschloss der verflixte Twelvetrees, neugierig zu werden. »Worüber denn?«
    »Über die Gebräuche und die Religion der Ashanti, mein Lieber«, sagte seine Schwester, ohne eine Miene zu verziehen. »Oberst Grey interessiert sich sehr für solche Dinge.«
    Twelvetrees prustete.
    »Ashanti, ach du liebe Güte! Ibo, Fulani, Koromantyn … taufen wir sie doch alle zu anständigen Christen und hören kein Wort mehr über den Heidenglauben, den sie mitgebracht haben. Dem Spärlichen nach, was ich weiß, wollt Ihr das gar nicht hören, Oberst. Aber wenn Ihr es natürlich doch hören wollt«, fügte er hastig hinzu, da er sich darauf besann, dass es ihm nicht zustand, dem Oberstleutnant, der Leben und Eigentum der Twelvetrees’ beschützen würde, Vorschriften zu machen, »dann hat meine Schwester vollkommen recht: Mrs. Abernathy ist Eure beste Quelle. Fast all ihre Sklaven sind Ashanti. Sie … äh … es heißt … sie hegt ein besonderes Interesse daran.«
    Zu Greys Interesse lief Twelvetrees dunkelrot an, und er wechselte hastig das Thema, indem er Grey haarklein nach der Aufstellung seiner Männer befragte. Grey vermied jede direkte Antwort und versicherte Twelvetrees nur, dass er zwei Infanteriekompanien auf seiner Plantage stationieren würde, sobald er die Nachricht nach Spanish Town schicken konnte.
    Er wäre aus diversen Gründen gern sofort aufgebrochen, sah sich aber gezwungen, zum Tee zu bleiben, eine unangenehme, schwere Mahlzeit, die er unter Miss Twelvetrees’ heißen Blicken zu sich nahm. Er glaubte zwar, sie weitgehend mit Takt und Finesse behandelt zu haben, doch gegen Ende der Mahlzeit begann sie, ihm kleine Kussmünder zuzuwerfen. Nichts, was man offen hätte bemerken können – oder sollen –, doch er sah, wie Philip sie ein- oder zweimal stirnrunzelnd anblinzelte.
    »Natürlich stelle ich keinerlei Autorität dar, was das Leben auf Jamaica angeht«, sagte sie und fixierte ihn mit einem unergründlichen Blick. »Wir leben ja noch keine sechs Monate hier.«
    »Ist das so«, sagte er höflich, und ein Stück unverdauten Savoykuchens lag ihm plötzlich schwer im Magen. »Ihr scheint mir hier ganz daheim zu sein – und es ist ein sehr schönes Heim, Miss Twelvetrees. Ich sehe überall Eure harmonische Hand.«
    Dieser späte Versuch, ihr zu schmeicheln, traf genau auf die Verachtung, die er verdiente; die elf auf ihrer Stirn war wieder da, ihre Miene streng.
    »Mein Bruder hat die Plantage von unserem Vetter Edward Twelvetrees geerbt. Edward selbst hat in London gelebt.« Ihr Blick richtete sich wie ein Musketenlauf auf ihn. »Kanntet Ihr ihn, Oberst?«
    Was genau konnte das verflixte Weibsbild schon tun, wenn er ihr die Wahrheit sagte?, fragte er sich. Sie glaubte eindeutig, etwas zu wissen, aber … Nein, dachte er und

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