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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ich.«
    »Dieser Mann, Rodrigo …« Accompong zögerte, suchte nach Worten. »Er ist keiner von uns. Er kommt aus Hispaniola. Dort … tun sie so etwas.«
    »So etwas wie Zombies zu erschaffen? Doch anscheinend geschieht das doch hier ebenfalls.« Grey formte die Worte automatisch; sein Verstand arbeitete fieberhaft im Licht dieser Enthüllungen. Das Wesen, das ihn in seinem Zimmer attackiert hatte – es war kein großes Kunststück, sich mit Graberde zu beschmieren und verrottete Kleidung anzulegen …
    »Nicht bei uns«, sagte Accompong sehr entschieden. »Bevor ich mehr sage, Oberst – glaubt Ihr das, was Ihr bis jetzt gehört habt? Glaubt Ihr, dass wir – dass ich – nichts mit dem Tod Eures Gouverneurs zu tun hatten?«
    Grey dachte einen Moment darüber nach. Es gab ja keine Beweise; nur die Erzählung der jungen Sklavin. Dennoch … hatte er Beweise. Den Beweis seiner eigenen Beobachtungen und Schlussfolgerungen in Bezug auf den Mann, der vor ihm saß.
    »Ja«, sagte er abrupt. »Und?«
    »Wird Euer König es auch glauben?«
    Nun, nicht so direkt, nein, dachte Grey. Das würde er taktvoll vermitteln müssen … Accompong prustete leise, als er sah, wie seine Gedanken über sein Gesicht huschten.
    »Dieser Mann, Rodrigo. Er hat uns großen Schaden zugefügt, indem er sich persönlich auf eine Weise gerächt hat, die … die …« Er suchte nach dem Wort.
    »Die auf Euch hindeutet«, vollendete Grey für ihn. »Ja, das verstehe ich. Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
    »Ich kann Euch diesen Mann nicht übergeben«, sagte Accompong schließlich. Seine dicken Lippen verzogen sich kurz, doch er blickte Grey direkt an. »Er ist tot.«
    Der Schreck traf Grey wie eine Musketenkugel. Ein Schlag, der ihn aus dem Gleichgewicht warf, und die grauenvolle Gewissheit unwiderruflicher Zerstörung.
    »Wie?«, sagte er kurz und scharf. »Was ist mit ihm geschehen?«
    Die Lichtung schwieg immer noch. Accompong starrte vor sich auf den Boden. Nach einem langen Moment stieg ein Seufzer, ein Flüstern aus der Menge auf.
    »Zombie.«
    »Wo?«, bellte Grey. »Wo ist er? Bringt ihn zu mir. Sofort!«
    Die Leute wichen von der Hütte zurück, und eine Art Stöhnen lief durch die Menge. Frauen packten ihre Kinder und wichen so hastig zurück, dass sie ihren Nachbarn auf die Füße traten. Die Tür öffnete sich.
    » Anda !«, sagte eine Stimme aus dem Inneren. Das bedeutete »los« auf Spanisch. Kaum hatte Greys betäubter Verstand dies begriffen, als sich das Dunkel in der Hütte änderte und eine Gestalt an der Tür erschien.
    Es war Rodrigo. Und auch wiederum nicht. Die schimmernde Haut war blass und grau, beinahe wächsern. Sein fester, sanfter Mund war erschlafft, und die Augen – oh Gott, die Augen! Sie waren eingesunken und glasig und zeigten keinerlei Begreifen, keine Regung, keine Spur von Bewusstsein. Es waren die Augen eines Toten. Und doch … bewegte er sich.
    Das war das Schlimmste. Verschwunden jede Spur von Rodrigos elastischer Anmut, seiner Eleganz. Dieses Wesen bewegte sich steif und watschelnd und schlurfte so sehr, dass er beinahe von einem Fuß auf den anderen wankte. Die Kleider hingen ihm an den Knochen wie die Lumpen einer Vogelscheuche, mit Lehm verschmiert und mit widerlichen Flüssigkeiten befleckt. Fäulnisgestank drang Grey in die Nase, und er würgte.
    » Alto «, sagte die Stimme leise, und Rodrigo blieb abrupt stehen und ließ die Arme hängen wie eine Marionette. Da blickte Grey zu der Hütte hinauf. Ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann stand im Eingang, den brennenden Blick auf Grey geheftet.
    Die Sonne war fast untergegangen; die Lichtung lag im tiefen Schatten, und Grey spürte, wie ihn ein krampfhafter Schauder durchlief. Er hob das Kinn, ignorierte das grauenhafte Geschöpf, das wie erstarrt vor ihm stand, und richtete das Wort an den hochgewachsenen Mann.
    »Wer seid Ihr, Sir?«
    »Nennt mich Ishmael«, sagte der Mann mit einem seltsamen, rollenden Akzent. Er trat aus der Hütte hervor, und Grey war sich bewusst, dass alle zurückwichen; jeder suchte den Abstand von dem Mann, als trüge er eine tödliche Ansteckung mit sich. Auch Grey wäre gern einen Schritt zurückgetreten, tat es aber nicht.
    »Ihr wart … das?«, fragte Grey und wies mit einer Handbewegung auf das, was noch von Rodrigo übrig war.
    »Ich wurde dafür bezahlt, ja.« Ishmaels Blick huschte zu Accompong hinüber, dann wieder zu Grey.
    »Und Gouverneur Warren – Ihr wurdet auch bezahlt, ihn zu töten, nicht wahr? Von diesem

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