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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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die Chinesen ausdrückten. Er wartete.
    »Der Gouverneur ist tot?«, fragte Accompong schließlich.
    »Ja. Woher wisst Ihr das?«
    »Ihr meint, ob ich ihn umgebracht habe?« Er kniff seine gelblichen runden Augen zusammen.
    »Nein«, sagte Grey geduldig. »Ich meine – wisst Ihr, wie er gestorben ist?«
    »Die Zombies haben ihn getötet«, antwortete er bereitwillig – und ernst. Jeder Humor war jetzt aus seinen Augen verschwunden.
    »Wisst Ihr, wer die Zombies erschaffen hat?«
    Ein heftiger Schauder durchlief Accompong von seinem zerschlissenen Hut bis zu den verhornten Sohlen seiner nackten Füße.
    »Ihr wisst es also«, sagte Grey leise und hob die Hand, um einer kategorischen Verneinung zuvorzukommen. »Aber Ihr wart es nicht, nicht wahr? Sagt es mir.«
    Der Hauptmann trat beklommen von einem Bein auf das andere, antwortete aber nicht. Sein Blick huschte zu einer der Hütten hinüber, und im nächsten Moment erhob er die Stimme und rief etwas im Patois der Schwarzen. Grey glaubte, das Wort Azeel zu hören. Im ersten Moment war er verwirrt, weil ihm das Wort vertraut erschien, er aber nicht wusste, warum. Dann trat die junge Frau geduckt durch die niedrige Tür der Hütte, und es fiel ihm wieder ein.
    Azeel. Die junge Sklavin, an der sich der Gouverneur vergangen hatte und auf deren Flucht aus dem King’s House die Schlangenplage gefolgt war.
    Als er sie jetzt näher kommen sah, begriff er unwillkürlich den Grund für die Begierde des Gouverneurs, auch wenn er selbst sich von ihrer Schönheit nicht angesprochen fühlte. Sie war klein, jedoch von großer Ausstrahlung. Perfekt proportioniert, hielt sie sich aufrecht wie eine Königin, und ihr Blick brannte, als sie Grey das Gesicht zuwandte. Aus ihrem Gesicht sprach Wut – aber auch so etwas wie furchtbare Verzweiflung.
    »Hauptmann Accompong sagt, ich soll Euch sagen, was ich weiß – was geschehen ist.«
    Grey verneigte sich vor ihr.
    »Ich wäre Euch dankbar dafür, es zu hören, Madam.«
    Sie sah ihn scharf an, denn sie ging offenbar davon aus, dass er sie verhöhnte, doch er hatte die Worte ernst gemeint, und sie sah das. Sie nickte kaum merklich.
    »Nun denn. Ihr wisst, dass mich diese Bestie …«, sie spuckte auf den Boden. »… dass er mich mit Gewalt genommen hat? Und dass ich sein Haus verlassen habe?«
    »Ja. Woraufhin Ihr einen Obeah-Mann aufgesucht habt, der eine Schlangenplage über Gouverneur Warren heraufbeschworen hat, nicht wahr?«
    Sie funkelte ihn an und nickte knapp. »Die Schlange ist Weisheit, und dieser Mann hatte keine. Keine Spur!«
    »Ich glaube, da habt Ihr vollkommen recht. Aber die Zombies?« Die Umstehenden hielten die Luft an. Furcht, Ekel – und noch etwas. Die junge Frau kniff die Lippen zusammen, und Tränen glitzerten in ihren großen dunklen Augen.
    »Rodrigo«, sagte sie, und ihre Stimme überschlug sich bei diesem Namen. »Er – und ich …« Sie biss fest die Zähne zusammen; sie konnte nicht sprechen, ohne zu weinen, und vor ihm wollte sie nicht weinen. Er senkte den Blick zu Boden, um ihr Raum zu geben, sich zu fassen. Er konnte sie durch die Nase atmen hören, ein leises Schniefen. Schließlich holte sie tief Luft.
    »Es war ihm nicht genug. Er ist zu einem Houngan gegangen. Der Obeah-Mann hat ihn gewarnt, aber …« Ihr Gesicht verkrampfte sich, so angestrengt versuchte sie, sich zu beherrschen. »Der Houngan . Er hatte Zombies. Rodrigo hat ihn dafür bezahlt, die Bestie umzubringen.«
    Grey fühlte sich, als hätte ihn ein Fausthieb vor die Brust getroffen. Rodrigo. Rodrigo, der sich bei dem Geräusch schlurfender Füße in der Nacht im Gartenhäuschen versteckte – oder Rodrigo, der die anderen Dienstboten warnte, ihnen zur Flucht riet, dann die Türen entriegelte und einer stummen Horde halb Toter in verklumpten Lumpen die Treppe hinauffolgte … oder aber ihnen vorauslief, scheinbar alarmiert, und die Wachtposten auf den Plan rief, sie ins Freie lockte, so dass man sie verschleppen konnte.
    »Und wo ist Rodrigo jetzt?«, fragte Grey scharf. Auf der Lichtung herrschte tiefes Schweigen. Die Leute sahen einander nicht einmal an; alle Blicke waren zu Boden gerichtet. Er trat einen Schritt auf Accompong zu. »Hauptmann?«
    Accompong reagierte. Er hob Grey sein deformiertes Gesicht entgegen und wies mit der Hand auf eine der Hütten.
    »Wir mögen keine Zombies, Oberst«, sagte er. »Sie sind unrein. Und mit ihrer Hilfe einen Mann zu töten … ist großes Unrecht. Das versteht Ihr doch?«
    »Ja, das tue

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