Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
habe, war ihre Hand zu halten, während ich einen Schlag von einem Zitteraal bekam, das schwöre ich. Gligliglipppppssscchhhhh«, fügte er an Dottie gewandt hinzu, und sie kreischte und kicherte als Antwort. Als er aufblickte, starrte Hal ihn an.
»Lucinda Joffreys Abendgesellschaft«, betonte er. »Ihr wart doch gewiss eingeladen, Minnie und du?«
Hal grunzte. »Oh. Ja, das waren wir, aber ich war bereits anderweitig verpflichtet. Minnie hat gar nichts von dem Aal gesagt. Aber was höre ich da von einem Duell, das du der jungen Dame wegen ausgefochten hast?«
»Was? Es war doch nicht …« Er hielt inne und dachte krampfhaft nach. »Nun, wenn ich es recht bedenke, vielleicht ja doch. Nicholls – du weißt schon, das Ferkel, das die Ode an Minnies Füße geschrieben hat? –, er hat Miss Woodford geküsst, und sie wollte das nicht, also habe ich ihn geschlagen. Wer hat dir denn von dem Duell erzählt?«
»Richard Tarleton. Er war gestern Abend noch spät bei White’s im Kartenzimmer und erzählte, er hätte dich gerade nach Hause gebracht.«
»Nun, dann weißt du wahrscheinlich genauso viel darüber wie ich. Oh, du willst deinen Papa wiederhaben, wie?« Er reichte Dottie an seinen Bruder zurück und wischte über einen feuchten Speichelfleck auf seinem Rock.
»Ich nehme an, das ist es, worauf Enderby hinauswill.« Hal wies kopfnickend auf den Brief. »Dass du das arme Mädchen öffentlich bloßgestellt hast und ihre Tugend kompromittiert hast, indem du ihretwegen ein skandalöses Duell ausgefochten hast. Da hat er ja auch gar nicht so unrecht.«
Dottie kaute jetzt auf dem Fingerknöchel ihres Vaters herum und knurrte leise. Hal durchsuchte seine Tasche und brachte einen silbernen Beißring zum Vorschein, den er ihr anstelle seines Fingers anbot. Dabei warf er Grey einen Seitenblick zu.
»Du willst doch Caroline Woodford nicht heiraten, oder? Darauf läuft Enderbys Forderung nämlich hinaus.«
»Gott, nein.« Caroline war eine gute Freundin – intelligent, hübsch, mit einem Hang zu verrückten Eskapaden, aber heiraten? Ihn?
Hal nickte.
»Nettes Mädchen, aber du würdest innerhalb eines Monats entweder hinter Gittern oder im Irrenhaus landen.«
»Oder tot sein«, sagte Grey und betastete vorsichtig den Verband, den ihm Tom hartnäckig um die Fingerknöchel gewunden hatte. »Wie geht es Nicholls heute Morgen, weißt du das?«
»Ah.« Hal lehnte sich ein wenig zurück und holte tief Luft. »Nun … er ist tatsächlich tot. Ich habe einen sehr bösen Brief von seinem Vater erhalten, der dich des Mordes bezichtigt. Der ist beim Frühstück gekommen; habe nicht daran gedacht, ihn mitzubringen. War es deine Absicht, ihn zu töten?«
Grey setzte sich abrupt hin, denn das Blut war ihm vollständig aus dem Kopf gewichen.
»Nein«, flüsterte er. Seine Lippen fühlten sich steif an, und seine Hände waren taub geworden. »Himmel. Nein.«
Hal zog rasch seine Schnupftabaksdose aus der Tasche, kippte das Riechsalzfläschchen heraus, das er darin aufbewahrte, und reichte es seinem Bruder. Grey war ihm dankbar; er war zwar nicht im Begriff gewesen, in Ohnmacht zu fallen, doch die aggressiven Ammoniakdämpfe boten ihm eine Ausrede dafür, dass ihm das Wasser in die Augen stieg und ihm das Atmen schwerfiel.
»Himmel«, wiederholte er und nieste mehrmals heftig. »Ich habe nicht auf ihn gezielt – ich schwöre es, Hal. Ich habe den Schuss verschenkt. Zumindest habe ich es versucht«, fügte er aufrichtig hinzu.
Ganz plötzlich kamen ihm sowohl Lord Enderbys Brief als auch Hals Anwesenheit verständlicher vor. Was eine alberne Torheit gewesen war, die mit dem Morgentau hätte vergessen sein sollen, war nicht nur zum Skandal geworden – oder würde es werden, sobald die Gerüchte Zeit hatten, sich auszubreiten –, sondern möglicherweise sogar zu etwas Schlimmerem. Es war nicht undenkbar, dass er tatsächlich wegen Mordes verhaftet wurde. Ohne jede Vorwarnung tat sich inmitten des gemusterten Teppichs zu seinen Füßen ein Abgrund auf, in dem sein Leben verschwinden konnte.
Hal nickte und reichte ihm sein Taschentuch.
»Ich weiß«, sagte er leise. »So etwas … kommt vor. Dinge, die man nicht beabsichtigt – die man für sein Leben gern zurücknehmen würde.«
Grey strich sich über das Gesicht und warf seinem Bruder im Schutz dieser Geste einen Blick zu. Hal sah plötzlich älter aus, als er war, und es war nicht nur die Sorge um Grey, die sein Gesicht zeichnete.
»Du meinst Nathaniel Twelvetrees?«
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