Zeit der Teufel
zweite Haut an ihren Körper. Den Reißverschluss ließ sie fast bis zum Nabel offen, schlang den Gürtel mit der kleinen Magnetplatte um die Taille und heftete den Blaster an eben diese Platte.
Zamorra betrachtete sie skeptisch. »Meinst du nicht, dass das zu auffällig ist? Der erste Cop, dem wir über den Weg laufen, wird dich einkassieren.«
»Das Ding sieht ziemlich futuristisch aus, nicht wahr? Wie eine richtige Pistole jedenfalls nicht.« In diesem Punkt musste Zamorra ihr Recht geben. Der von einer Kühlspirale umringte Lauf endete in einer leicht trichterförmigen Mündung, in der der Abstrahlpol saß, der wahlweise Laser- und Betäubungsstrahlen verschoss. Zudem war da die Diodenanzeige für den Ladezustand der Batterie.
»Allenfalls wird man glauben, ich wäre ein durchgeknallter Fan von Captain Kirk oder Flash Gordon.«
»Trotzdem fühle ich mich etwas unbehaglich dabei, dass du die Waffe so offen trägst.«
»Dies ist ein freies Land«, zitierte Nicole den alten und oft missbrauchten Spruch.
Zamorra nahm die Computer-Ausdrucke, die William mitgebracht hatte, verzichtete darauf, sie zu lesen, sondern steckte sie zusammengefaltet in die Innentasche seiner weißen Anzugjacke. Dann öffnete er den kleinen Aluminiumkoffer und prüfte den Inhalt. Er war nicht sicher, was er davon benötigte, vorsichtshalber würde er also den gesamten »Einsatzkoffer« mitnehmen. Als er ihn wieder zuklappte, sagte William:
»Da ist noch etwas, Monsieur.«
»Und was?« Der seltsame Unterton in Williams Stimme ließ den Dämonenjäger aufhorchen.
»Raffael hat sich wieder einmal gezeigt. Er behauptet, Asmodis sei im Château gewesen.«
»Was sagen Sie da?«, entfuhr es Zamorra und Nicole gleichzeitig. Kurz sahen sie sich an, dann richteten sie ihr Augenmerk wieder auf den Butler.
Raffael war der »gute Geist des Hauses«, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Früher war er Zamorras Diener im Château Montagne gewesen und hatte sich bis zu seinem Tod standhaft geweigert, sich pensionieren zu lassen, auch wenn ihm die Arbeit in den letzten Jahren immer schwerer gefallen war. Dennoch ließ er sich nie anmerken, wie dankbar er für die Unterstützung durch William war.
Das Dienen war nicht nur sein Beruf, sondern auch seine Berufung gewesen. Hätte Zamorra es tatsächlich fertiggebracht, ihn in Pension zu schicken, er wäre vermutlich innerhalb weniger Wochen gestorben, weil ihm dann plötzlich sein Lebensinhalt gefehlt hätte. Selbst im Tod konnte er sich offenbar nicht von seiner Aufgabe trennen; seither zeigte er sich bisweilen als Spukerscheinung im Château und rückte hier und da mit helfender Hand etwas zurecht. Die Bewohner hatten sich längst daran gewöhnt. Und William fühlte sich wie zuhause in Schottland, wo zu jedem anständigen Castle mindestens ein anständiges Gespenst gehörte.
Und jetzt wollte Raffael Asmodis im Château Montagne gesehen haben?
Der war schon längst kein Fürst der Finsternis mehr. Vor gut anderthalb Jahrzehnten hatte er nach ewig langer Herrschaft der Hölle den Rücken gekehrt. Aus welchem Grund, hatte Zamorra nie erfahren.
Früher, als Asmodis auf der anderen Seite stand, war er ein mörderisch gefährlicher, aber auch immer fairer Gegner gewesen. Bisweilen hatten sie sogar zwangsweise zusammenarbeiten müssen. Aber seit langer Zeit ging der uralte Erzdämon jetzt eigene Wege. Dabei war er so undurchschaubar wie eh und je. Er unterstützte Zamorra, wenn es seinen eigenen Zielen diente, und er ignorierte ihn, wenn Zamorras Interessen nicht die seinen waren. Auch wenn Asmodis die Hölle verlassen hatte, tat er nichts, um seinen einstigen Untergebenen zu schaden.
Zamorra hatte gelernt, dass man sich auf Asmodis verlassen konnte – als Feind und als Verbündeter. Nicole dagegen traute ihm nicht über den Weg. »Einmal Teufel, immer Teufel«, lautete ihr Standardspruch, sobald es um den Ex-Fürsten ging. Ohnehin hatte sie zu ihm ein sehr gespaltenes Verhältnis, nicht nur, weil er ihr eine gewisse Lüsternheit entgegenbrachte. Zu seiner Zeit als Fürst der Finsternis hatte sie einige unangenehme Erlebnisse mit ihm gehabt.
Und sein Blut war immer noch schwarz. Er war zwar stark genug, die weißmagische Abschirmung um Château Montagne zu durchdringen, als einziger Angehöriger der Schwarzen Familie. Aber es bereitete ihm äußerstes Unbehagen und Schmerzen; mehr als zweimal hatte er es bislang nicht riskiert, wenn Zamorra sich recht erinnerte. Wenn er mit Zamorra reden
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