Zeit der Träume
hätte ich nicht etwas ganz Besonderes für mich und Simon machen können.«
»Also das mit der Gruppenumarmung können wir meinetwegen streichen.« Dana trat ebenfalls zu ihnen. »Aber ich sehe das genauso. Ohne euch beide hätte ich nicht die Chance hierfür gehabt. Mein blöder Bruder hat eine tolle Frau, die ihn liebt. Und alles hängt mit dem Schlüssel zusammen. Ich sage, du wirst ihn finden.«
Sie spähte zum Himmel, weil bereits die ersten Tropfen fielen. »Und jetzt lasst uns reingehen, sonst werden wir nass.«
Drinnen blieben sie stehen.
»Zusammen oder getrennt?«, fragte Malory.
»Zusammen«, erwiderte Zoe.
»Speicher oder Keller?«
»Speicher.« Dana musterte die beiden, die zustimmend nickten. »Hast du nicht gesagt, dass Flynn vorbeikommen wollte?«
»Ja, er macht sich für eine Stunde frei.«
»Dann können wir ihn ja als Packesel benutzen, damit er uns die Sachen aus dem Speicher herunterschleppt.«
»Ein Teil von dem Zeug da oben ist toll.« Zoes Gesicht leuchtete vor Begeisterung, als sie die Treppe hinaufstiegen. »Auf den ersten Blick mag es ja wie Schrott aussehen, aber ich glaube, einen Teil davon können wir wirklich gut gebrauchen. Da ist ein alter Korbstuhl, der geflickt und angestrichen werden könnte. Er würde sich bestimmt gut auf der Veranda machen. Und dann gibt es noch zwei Stehlampen. Die Schirme sind nichts mehr wert, aber die Gestelle kann man noch verwenden.«
Sie brach ab, als Malory näher kam. Das Fenster am Ende der Treppe war nass vom Regen und blind vor Schmutz. Malorys Herz begann, heftig zu pochen.
»Das ist der Ort«, flüsterte sie.
»Ja, klar. Das ist er.« Dana stemmte die Hände in die Hüften und blickte sich um. »In wenigen Wochen gehört das Haus uns und der Bank.«
»Nein, das ist das Haus aus meinem Traum. Wie konnte ich nur so blöd sein, dass ich das nicht gemerkt, nicht verstanden habe?«, sprudelte Malory aufgeregt hervor. »Nicht das, was Flynn gehört, sondern was meins ist. Ich bin der Schlüssel. Hat Rowena das nicht gesagt?«
Sie wirbelte zu ihren Freundinnen herum. »Schönheit, Wissen, Mut. Das sind wir drei, das ist dieses Haus. Und der Traum, das war meine Fantasie, meine Vorstellung von Perfektion. Also musste es mein Haus sein.«
Sie presste die Hand auf ihr Herz, als wolle sie es daran hindern, ihr aus der Brust zu springen. »Der Schlüssel ist hier. Hier in diesem Haus.«
Im nächsten Augenblick war sie allein. Die Treppe hinter ihr füllte sich mit blassblauem Licht. Wie Nebel kroch es über den Fußboden auf sie zu, bis sie knöcheltief in der feuchten Kälte stand. Erschreckt blieb sie wie angewurzelt stehen und rief nach ihren Freundinnen, aber ihre Stimme verklang hohl in einem spöttischen Echo.
Mit jagendem Herzen blickte sie zu den Zimmern, die zu beiden Seiten neben ihr lagen. Der unheimliche blaue Nebel waberte über die Wände und ließ noch nicht einmal das Blitzen des Gewitters durch die Fensterscheiben dringen.
»Lauf weg!«, flüsterte es panisch in ihrem Kopf. Lauf weg! Raus hier, bevor es zu spät ist. Das war nicht ihr Kampf. Sie war doch nur eine gewöhnliche Frau, die ein ganz gewöhnliches Leben führte.
Sie packte das Geländer und ging eine Stufe hinunter. Durch den blauen Vorhang, der so rasch das echte Licht auffraß, konnte sie noch die Tür erkennen. Hinter der Tür lag die wirkliche Welt. Ihre Welt. Sie musste nur die Tür öffnen und hindurchgehen, damit alles wieder normal wurde.
Das wollte sie doch, oder nicht? Ein normales Leben. Hatte ihr Traum ihr das nicht gezeigt? Ehe und Familie. French Toast zum Frühstück und Blumen auf der Kommode. Ein nettes Leben mit einfachen Freuden, aufgebaut auf Liebe und Zuneigung.
Es wartete auf sie, dort draußen vor der Tür.
Wie in Trance ging sie die Treppe hinab. Sie konnte über die Tür hinaussehen, irgendwie durch die Tür hindurch, wo ein perfekter Herbsttag war. Das bunte Laub der Bäume leuchtete in der Sonne, und obwohl ihr Herz immer noch heftig klopfte, verzogen sich ihre Lippen zu einem verträumten Lächeln, als sie die Tür erreichte.
»Das ist falsch.« Sie hörte ihre eigene Stimme, seltsam gepresst und ruhig. »Das ist nur wieder ein Trick.« Sie erschauerte vor Entsetzen, als sie sich von der Tür und von dem perfekten Leben, das dort draußen auf sie wartete, abwandte. »Das da draußen ist nicht real, aber dieses Haus hier ist es. Das ist jetzt unser Haus.«
Erschrocken rief sie die Namen ihrer Freundinnen. Beinahe hätte sie sie
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