Zeit der Träume
vielleicht sogar alle drei, vom Sturm überrascht worden wären.
Aber eigentlich müssten sie schon eine Zeit lang im Haus sein, rief er sich ins Gedächtnis. Allerdings hätte er schwören können, dass der Sturm an diesem Ende der Stadt schlimmer, sogar beträchtlich schlimmer, wütete. Dicker, grauer Nebel waberte von den Hügeln herab und hüllte alles ein. Flynn konnte kaum etwas sehen und musste ganz langsam fahren.
Aber trotz des geringen Tempos geriet das Auto in einer Kurve ins Schleudern.
»Wir fahren einfach rechts ran«, murmelte er. »Halten an und warten ab.«
Als er jedoch am Straßenrand angehalten hatte, kroch ihm die Angst in den Nacken. Der Regen trommelte auf das Autodach wie Fäuste, die auf ihn einschlugen.
»Irgendetwas stimmt nicht.«
Er fuhr wieder an und hielt das Lenkrad fest umklammert, um das Auto durch die heftigen Windböen zu steuern. Der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, und er kam sich vor, als sei er im Krieg.
Erleichterung überflutete ihn, als er die Autos in der Einfahrt sah. Es war ihnen nichts passiert, sagte er sich. Sie waren im Haus. Kein Problem. Er war ein Idiot.
»Ich habe dir doch gesagt, du brauchst keine Angst zu haben«, erklärte er Moe. »Jetzt hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du reißt dich zusammen und kommst mit mir hinein, oder aber du bleibst hier und jammerst und zitterst. Du kannst es dir aussuchen, Kumpel.«
Als er jedoch am Straßenrand anhielt und zum Haus spähte, schwand seine Erleichterung.
Das Herz des Sturms befand sich genau über dem Haus. Schwarze Wolken ballten sich darüber und entluden sich mit wütender Gewalt. Ein Blitz schlug im Rasen ein, und sofort entstand eine verkohlte Stelle.
»Malory.«
Er wusste nicht, ob er ihren Namen laut schrie oder ihn nur in seinem Kopf hörte, aber er sprang aus dem Auto, mitten in die surreale Gewalt des Sturmes hinein.
Der Wind ließ ihn mit solcher Macht zurücktaumeln, dass er Blut auf der Zunge schmeckte. Wie eine Granate schlug vor ihm ein Blitz ein, und es roch sofort verbrannt. Gebückt rannte Flynn im strömenden Regen auf das Haus zu, wobei er ständig Malorys Namen rief.
Als er die Stufen zur Haustür hochtaumelte, sah er das kalte blaue Licht, das darunter hervordrang.
Der Türknopf brannte vor Kälte und wollte sich nicht drehen lassen. Flynn trat zurück und rammte seine Schulter mit voller Wucht gegen die Tür. Ein Mal, zwei Mal, und beim dritten Mal gab sie nach.
Er stürmte in den blauen Nebel hinein.
»Malory!« Er schob sich die nassen Haare aus dem Gesicht. »Dana!«
Als etwas sein Bein streifte, wirbelte er mit geballten Fäusten herum, ließ sie jedoch wieder sinken, als sich herausstellte, dass es nur der nasse Hund war. »Verdammt noch mal, Moe. Ich habe keine Zeit, um...«
Er brach ab, als Moe ein tiefes, grollendes Knurren ertönen ließ und dann heftig bellend die Treppe hinaufrannte.
Flynn sprintete ihm hinterher. Und trat in sein Büro.
»Wenn ich anständig über das Herbstlaub-Festival berichten soll, dann brauche ich die erste Seite der Wochenendbeilage und eine Seitenspalte mit den einzelnen Terminen.« Rhoda verschränkte die Arme und blickte ihn kampflustig an. »Tims Interview mit dem Clowntyp kann auf Seite zwei gehen.«
Es rauschte in seinen Ohren. Flynn hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und starrte auf Rhodas wütendes Gesicht. Er konnte den Kaffee riechen und das Parfüm, das Rhoda stets trug. Hinter ihm ächzte sein Scanner, und Moe schnarchte wie eine Dampfmaschine.
»Das ist Blödsinn.«
»Ich verbitte mir, dass du in diesem Tonfall mit mir redest«, fuhr Rhoda ihn an.
»Nein, das hier ist Blödsinn. Ich bin nicht hier. Und du auch nicht.«
»Es wird Zeit, dass ich hier mit ein wenig Respekt behandelt werde. Du leitest diese Zeitung nur, weil deine Mutter dich davon abhalten wollte, dass du dich in New York zum Narren machst. Der Großstadtreporter, du meine Güte. Du bist bloß eine kleine Nummer in der Kleinstadt. Das warst du immer schon, und du wirst nie etwas anderes sein.«
Flynn lächelte nur grimmig. »Leck mich am Arsch«, forderte er sie auf und schüttete ihr den Kaffee ins Gesicht.
Sie stieß einen kurzen Schrei aus, und er stand wieder im Nebel.
Und Flynn rannte Moes Bellen hinterher.
Im wallenden Nebel sah er Dana, die auf dem Boden kniete und die Arme um Moes Hals geschlungen hatte.
»O Gott, Gott sei Dank, Flynn!« Sie sprang auf und klammerte sich an ihn. »Ich kann sie nicht finden. Ich kann sie nicht
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