Zeit der Träume
liegt nicht nur im Auge des Betrachters«, sagte sie, »sondern auch im Künstler, im Thema und im Zweck.«
Ihr Puls begann zu rasen, aber ihre Hand blieb ruhig und sicher. Einen zeitlosen Moment lang verbannte sie alles aus ihren Gedanken bis auf die Farben, die Strukturen und die Formen.
Und als sie zurücktrat, glitzerten ihre Augen triumphierend.
»Es ist das Beste, was ich je gemalt habe«, murmelte sie. »Vielleicht sogar das Beste, was ich je malen werde. Ich frage mich, was du davon hältst.«
Sie machte eine einladende Geste.
»Licht und Schatten«, sagte sie, als er auf die Staffelei zutrat. »Man schaut hinein und hinaus. Von meinem Innern nach außen und auf die Leinwand. Was mein Herz spricht. Ich nenne es die Singende Göttin.«
Sie hatte ihr Gesicht gemalt. Ihr Gesicht und die erste Glastochter. Sie stand in einem Wald, von funkelnd goldenem Licht erfüllt, das durch grüne Schatten gemildert wurde. Ein Bach floss wie Tränen über die Felsen.
Ihre Schwestern saßen auf dem Boden hinter ihr und hielten sich an den Händen.
Venora, denn sie wusste, es war Venora, trug ihre Harfe und hob ihr Gesicht zum Himmel. Beinahe konnte man das Lied hören, das sie sang.
»Hast du geglaubt, ich entscheide mich für die kalte Illusion, wenn ich die Chance für das Wirkliche habe? Hast du geglaubt, ich tausche mein Leben und ihre Seele für einen Traum ein? Du unterschätzt die Sterblichen, Kane.«
Als er wutentbrannt zu ihr herumwirbelte, betete sie, dass sie sich selbst oder Rowena nicht überschätzt hatte.
»Der erste Schlüssel gehört mir.« Mit diesen Worten griff sie in das Gemälde. Ein Hitzestrahl schoss ihren Arm entlang, als sich ihre Finger um den Schlüssel schlossen, den sie zu Füßen der Göttin gemalt hatte.
Der Schlüssel lag schimmernd im Licht eines Sonnenstrahls, der die Schatten zerteilte wie ein güldenes Schwert.
Sie spürte seine Form, seine Substanz und zog ihn mit einem Siegesschrei heraus. »Das ist meine Wahl. Und du kannst zur Hölle fahren.«
Der Nebel waberte wild, als er sie verfluchte, und als er seine Hand hob, um sie zu schlagen, brachen Flynn und Moe durch die Wand. Moe sprang ihn knurrend an.
Kane löste sich auf wie ein Schatten in der Dunkelheit und war verschwunden.
Als Flynn Malory in die Arme riss, fiel Sonnenlicht durch die winzigen Fenster, und der Regen tropfte melodisch von den Dachrinnen. Der Raum war nur noch ein Speicher, voller Staub und Gerümpel.
»Ich habe dich wieder.« Flynn vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, während Moe um sie herumtanzte. »Dir ist nichts passiert. Ich habe dich wieder.«
»Ich weiß. Ich weiß.« Malory begann, leise zu weinen, während sie auf den Schlüssel blickte, den sie fest mit den Fingern umklammert hielt. »Ich habe ihn gemalt.« Sie streckte ihn Dana und Zoe entgegen. »Ich habe den Schlüssel.«
Weil Malory darauf bestand, fuhr Flynn sie direkt nach Warrior’s Peak. Dana und Zoe folgten ihnen. Er stellte die Heizung hoch und wickelte sie in eine Decke aus seinem Kofferraum, die leider nach Moe stank. Und doch zitterte sie immer noch.
»Du brauchst ein heißes Bad oder so. Tee. Suppe.« Er fuhr sich mit unsicheren Händen durch die Haare. »Ach, ich weiß nicht. Oder Brandy.«
»Ich nehme alles zu mir«, versprach sie, »wenn erst mal der Schlüssel da ist, wo er hingehört. Bevor ich ihn nicht los bin, kann ich mich nicht entspannen.«
Sie drückte die Faust fest an die Brust.
»Ich begreife noch gar nicht, wie ich ihn in der Hand halten kann.«
»Ich auch nicht. Vielleicht verstehen wir es ja beide, wenn du versuchst, es mir zu erklären.«
»Er hat versucht, mich zu verwirren, so wie er uns getrennt hat. Er wollte, dass ich mich verloren und allein fühle und Angst habe. Aber er hat auch Grenzen, weil er uns nicht alle drei auf einmal in diesen Illusionen gefangen halten konnte. Er hat gemerkt, dass wir miteinander verbunden und dadurch stärker sind als er. Zumindest glaube ich das.«
»Da stimme ich mit dir überein. Er hat Rhoda ziemlich furchtbar dargestellt - so grässlich ist nicht einmal sie.«
»Ich habe ihn vermutlich wütend gemacht. Ich wusste, dass der Schlüssel im Haus war.« Sie zog die Decke ein wenig fester um sich, aber sie fror nach wie vor. »Ich erzähle das wahrscheinlich nicht in gutem, journalistischem Stil.«
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich redigiere es später. Woher wusstest du es?«
»Ich habe die Entscheidung im Speicher getroffen, als er mir
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