Zeit der Wut
sie für die Aktion benutzt hatten, loderten hinter ihnen schon die Flammen.
Auf dem Weg ins Zentrum von Rom begegnete ihnen ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr. Es raste in die entgegengesetzte Richtung. Geheimaktion. Keine Protokolle, keine Beschlagnahme. Im Auto hatten sie die kugelsicheren Westen ausgezogen und die Helme abgenommen.
– Ich steige hier aus. Ihr bringt den Stoff ins Lager, befahl Mastino.
2.
Der schwarz gekleidete Muskelprotz stieg vom Motorrad und nahm den Helm ab, unter dem eine glänzende Glatze zum Vorschein kam, half seiner Freundin, einer Molligen in Minirock und Netzstrümpfen, mit einer überraschend zärtlichen Geste vom Rücksitz, dann betraten sie gemeinsam das Pub mit dem nicht wirklich irischen Schild. Guido spähte durch das Fenster ins Innere des Lokals, wartete darauf, dass das Pärchen Platz nahm, sprang auf das Motorrad und schloss es kurz. Mit aufheulendem Motor fuhr er davon, raste die steile Straße Richtung Santa Maria Maggiore hinauf. Aus den Augenwinkeln heraus sah er den verblüfften Blick des unauffälligen Typs, der ihm seit einer halben Stunde folgte. Es machte ihn stolz, wie schnell er einen seiner Schutzengel entdeckt hatte. Vielleicht musste der Baron auf Personal zurückgreifen, dass nicht ganz auf der Höhe war. Und vielleicht hatte die Verzweiflung die Sinne geschärft und er war zu einem vorbildlichen Flüchtling geworden. Auf jeden Fall hatte er sie ausgetrickst. Ein paar Minuten Vorsprung, mehr brauchte er nicht. Ein paar Minuten, um in die Wohnung am Pigneto zu gelangen, Rossana zu treffen, sie zu retten. Guido kümmerte sich nicht um rote Ampeln, fuhr an den Autos vorbei, die an den Kreuzungen warteten, schlüpfte zwischen erschrockenen Spaziergängern hindurch, fuhr über Gehsteige und durch Blumenbeete. Eine freudige Aufregung hatte von ihm Besitz ergriffen. Und während unter ihm der des-modromische Motor der
Königin der Naked Bikes
dröhnte, wie die Ducati von ihren Fans bezeichnet wurde, bedankte er sich insgeheim bei Brandi Mario, Supermario genannt, dem legendären Autodieb von der Ostiense. Er hatte ihn in die Geheimnisse des Universalschlüssels eingeweiht, den Diebe auf der halben Welt benutzten. Als er den Motor angelassen und Don Quijotes Lanze, die Lanze der Giacometti-Bronzestaute, die jahrelang auf einem Regal in einem der Salons der Villa an der Via delle Tre Madonne gestanden hatte, als Universalschlüssel benutzt hatte, hatte er sich wie Gott gefühlt. Bürgerliche Kunst und Straßenfreundschaften im Dienst der Freiheit – was für eine schöne Metapher für seine Existenz … fünfundzwanzig Minuten später war er auf der Via Caltanisetta. Er ließ die Ducati neben einer Straßenlaterne stehen, streichelte sie mit einem zärtlichen Blick und betrat die Nummer 12. Er lief die Treppe, mit vor Aufregung klopfendem Herzen, bis ins dritte Stockwerk hinauf. Das Schild an der Eingangstür war das erste Alarmzeichen: „Immobilienbüro Pigneto 06“. Als er mit Rossana hier gewesen war, war ihm nichts dergleichen aufgefallen. Was ging vor? Er klingelte. Ein ungefähr fünfunddreißig Jahre alter Mann öffnete ihm, rasierter Schädel, exakt geschnittenes Bärtchen, Geruch nach Pfefferminzkaugummi, schwarzer Anzug und dienstbewusstes Lächeln.
– Kommen Sie wegen der Wohnung an der Casilina? Bitte, setzen Sie sich.
Guido folgte ihm, wobei er ein undeutliches Danke murmelte. Er durchquerte das Vorzimmer, das nun als Wartezimmer diente, mit gerahmten Plakaten und verblichenen Drucken an den Wänden, Rauchen-verboten-Schildern und uninteressanten Zeitschriften, wie sie in allen Wartezimmern auf der Welt herumlagen. Eine Wand wurde von einem mittelmäßigen Aquarell geschmückt, einer toskanischen Landschaft mit sanftmütigen Kälbern. Hier hatte zweifellos das durchlöcherte Che-Poster gehangen, erinnerte er sich. Sie hatte ihm gesagt, dass Didier es als Zielscheibe beim Darts benutzte. In den Augen des Franzosen war Che eine Art schmutziger Macho. Einen Augenblick lang war Rossanas Lachen in der Wohnung zu hören gewesen. Seine Fantasie hatte ihm einen Streich gespielt. Rossana war nicht da. Rossana gab es hier nicht mehr. Guido bat, aufs Klo gehen zu dürfen. Ein sauberer, aufgeräumter Raum, der nach Deodorant und Kampfer roch. Keine Spur von dem tollen Chaos, das vor zwei, nein drei Monaten hier geherrscht hatte. Der Mann forderte ihn auf, in einem geräumigen, mit Ordnern vollgestopften Büro Platz zu nehmen, einem riesigen Schreibtisch
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