Zeit des Aufbruchs
die Gefangenen befreite, die sich zu kämpfen geweigert hatten.«
»Das ist wahr.« Fumita schwieg unverbindlich und überließ es Mara fortzufahren.
Er hätte sich nicht klarer ausdrücken können, hätte er gesprochen. »Das ist meine Sorge«, sagte Mara. »Wenn ein Erhabener Sklaven befreien kann, wer kann es dann noch? Der Kaiser? Der Kriegsherr? Ein Herrscher?«
Der Magier sagte eine Zeitlang nichts. Während der Pause fühlte sich Mara so merkwürdig, wie sich ein einsamer Fisch in einem Teich fühlen mußte. Sie spürte die Brise über dem Vordach und sah den Diener, der seine Runde ums Herrenhaus machte. Ein Stück weiter den Pfad entlang erklangen die Geräusche eines Besens mit unnatürlicher Lautstärke. Diese Dinge waren Teil ihrer Welt, doch sie schienen irgendwie weit weg, während die Augen des Magiers beharrlich auf ihr ruhten. Als Fumita schließlich sprach, hatte sich sein Ton nicht geändert; die Worte waren ohne Betonung und sehr knapp. »Mara von den Acoma, wir werden in der Versammlung über Eure Frage nachdenken.«
Ohne weitere Worte und noch bevor sie irgend etwas antworten konnte, hatte er in die Tasche an seinem Gürtel gegriffen und einen kleinen Metallgegenstand herausgeholt. Mara hatte keine Zeit, ihre Neugier auszudrücken, selbst wenn sie es gewagt
hätte, denn schon fuhr er mit dem Daumen über die Oberfläche des Talismans. Ein schwaches Summen umgab ihn. Dann verschwand der Magier. Die Steinbank war plötzlich leer, und ein leichter Luftwirbel zerrte an Maras Robe.
Mit offenem Mund und ziemlich verloren saß Mara da. Sie zitterte leicht und runzelte die Stirn, als könnte die Stelle, wo der Magier gesessen hatte, ihre Unzufriedenheit aufheben. Sie hatte niemals den Umgang mit einem Erhabenen gesucht, abgesehen von jener kleinen Begegnung, die Lord Jingus Leben beendet hatte. Dieses war das erste Mal, daß sie selbst eine Annäherung angestrebt hatte, und die Folgen ließen sie beunruhigt zurück. Die Versammlung der Magier war unergründlich. Wieder zitterte sie und wünschte sich zurück ins warme Bett mit Kevin.
Sieben
Hüter des Siegels
Die Barke dockte an.
Mara saß auf den Kissen unter einem Baldachin und hatte einen Becher frischen Fruchtsaft in der Hand. Sie blinzelte gegen die Morgensonne, die sich auf dem Wasser spiegelte. Während die Lady vom Rhythmus der Ruderer, die das Boot kundig durch das Gewimmel der Händlerboote auf den Kai zusteuerten, sanft geschüttelt wurde, rief sie sich Nacoyas deutliche Vorbehalte gegen diese Reise nach Kentosani in Erinnerung. Doch als sie ihren Blick über das geschäftige Treiben am Ufer schweifen ließ und die Handelsbarken zählte, die vor Anker darauf warteten, entladen zu werden, kam sie zu der Ansicht, daß Arakasis Einschätzung richtig war. Zumindest in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen hatte sich die Stadt von dem Chaos erholt, das sechs Monate zuvor bei den Kaiserlichen Spielen ausgebrochen war.
Mara hielt den Zeitpunkt für geeignet, in die Heilige Stadt zurückzukehren. Nacoya hatte recht gehabt, als sie hinter Maras Behauptung, angeblich einen weniger wichtigen politischen Gegner wegen einer möglichen Allianz aufsuchen zu wollen, einen tieferen Grund vermutet hatte; dennoch hatte Mara ihre Gedanken niemandem offenbart.
Als ihre Barke am Kai befestigt war, reichte sie den Becher einem Diener, rief nach ihrer Sänfte und versammelte ihre Ehrengarde um sich. Sie hatte nur fünfundzwanzig Krieger in ihrem Gefolge; ihr Aufenthalt sollte nicht lange dauern, und sie sorgte sich nicht um Attentäter. Sowohl die Versammlung der Magier als auch der Kaiser würden einem öffentlichen Aufruhr mit großem Mißfallen begegnen; ein Mord durch einen Tong in der Stadt des Kaisers würde eine weitaus gründlichere Untersuchung nach sich ziehen, als irgendeine Familie zu diesem Zeitpunkt riskieren konnte. So hatte Mara außer Kevin und Arakasi sowie der Bootsmannschaft nur die notwendigsten Bediensteten bei sich.
Die Hitze war bereits erdrückend. Als die Acoma-Wachen sich an die lästige Aufgabe machten, die Straße für die Sänfte ihrer Lady zu räumen, wandte sich Kevin an Mara. »Also, was ist jetzt wirklich der Grund für diese Reise?«
Mara trug vornehmere Kleider als sonst, wenn sie auf der Straße unterwegs war, und blickte zwischen den Vorhängen der Sänfte hindurch, die ein kleines Stück geöffnet waren, um eine wohltuende Brise hereinzulassen. »Das hast du Arakasi erst vor einer Stunde
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