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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Geistesabwesenheit spürte, als sich die Sänfte auf den Heimweg durch Kentosanis von Fackeln erleuchtete Straßen machte, so sagte er jedenfalls nichts. Als sie auf dem Hof ihres Stadthauses ankamen, reichte er ihr die Hand mit der Erfahrung eines Mannes, der sein Leben lang solche Pflichten ausgeführt hatte. Dann verschwand er unauffällig, sobald er ihre Erlaubnis eingeholt hatte.
    Mara ordnete ein leichtes Mahl an, und ausnahmsweise verzichtete sie auf Kevins Gesellschaft. Sie saß allein in ihrem Arbeitszimmer, das sich zum Innenhof hin öffnete, stocherte in ihrem Essen herum und starrte auf die Schattenmuster, die die blühenden Büsche an die Läden warfen. Lautes Gelächter drang aus der Küche zu ihr, während Kevin mit ausgelassener Stimme irgendeine Eskapade von seinem Besuch auf dem Markt zum besten gab, in der ein Jiga-Vogel-Händler eine ganz besondere Rolle spielte. Er war in bester Laune, und die anderen Bediensteten genossen seine Vorstellung mit einer Begeisterung, mit der Zuschauer einem Straßentheater beiwohnen.
    Doch heute schnitt Kevins Lachen Mara mitten ins Herz. Sie schob den kaum angerührten Teller mit einem Seufzer beiseite und bat eine Dienerin, mehr Wein zu bringen. Sie nippte daran und saß in der immer weiter zunehmenden Dunkelheit einfach nur da, ohne nach Lampen zu rufen. Ihre Gedanken und Erinnerungen drehten sich endlos im Kreis, führten immer wieder zu der großen Frage, die sie dem Erhabenen Fumita gestellt hatte. Sogar jetzt noch versetzte seine Zurückhaltung ihr einen Stich. Wieder und wieder grübelte sie über seine kühle Reaktion, fragte sich nun, da jeder Wunsch nach Änderung hoffnungslos zu spät kam, ob sie mit ihrem Gesuch möglicherweise den Erlaß gegen die Befreiung von Sklaven erst veranlaßt hatte.
    Sie würde es niemals genau wissen. Das war das Schmerzhafte daran. Wenn sie, ein bißchen weiser, ihre Meinung für sich behalten hätte, wäre Kevins Chance auf Freiheit vielleicht nicht zerstört worden.
    Mara seufzte und bedeutete der Dienerin, das Tablett mit dem Essen abzuräumen. Sie zog sich frühzeitig zurück, obwohl die Gedanken immer noch in ihrem Kopf herumwirbelten, und als Kevin kam, stellte sie sich schlafend. Seine Berührungen und seine Zärtlichkeit konnten ihre düsteren Gedanken nicht verscheuchen, und sie fürchtete sich davor, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Als er schließlich neben ihr in zufriedenen Schlummer versank, fühlte sie sich nicht besser. Die ganze Nacht warf sie sich herum und suchte nach Worten. Stunde um Stunde verging, und noch immer wußte sie nicht, was sie sagen sollte.
    Sie betrachtete sein Profil; das vom Laden gefilterte Licht der Laternen im Hof hüllte es in einen goldenen Schimmer. Die Narbe, die er von dem Sklavenaufseher auf dem Markt erhalten hatte, war über die Jahre beinahe verschwunden. Nur noch eine feine Linie über den Wangenknochen war zurückgeblieben, wie sie ein Krieger auch einem Schwerthieb verdanken mochte. Die blauen Augen mit den Lachfalten waren geschlossen, und seine Gesichtszüge wirkten im Schlaf unglaublich friedlich. Mara sehnte sich danach, ihn zu berühren, doch statt dessen schluckte sie die aufsteigenden Tränen hinunter. Ihre Weichheit ärgerte sie, und so drehte sie sich um und starrte an die Wand, nur um sich schon bald wieder auf die andere Seite zu rollen, sein Profil zu studieren und die Lippen fest zusammenzubeißen, um ja nicht zu weinen.
    Der Morgen brach an, und sie war erschöpft. Sie stand vor Kevin auf, fühlte sich angespannt und unwohl vor kaltem Schweiß. Sie rief nach den Zofen, um zu baden und angekleidet zu werden, und als ihr Geliebter sich mit schläfrigen Fragen erhob, verbarg sie ihre Zurückhaltung hinter scheinbarer Härte.
    »Ich habe heute morgen eine wichtige Angelegenheit zu erledigen.« Sie drehte ihren Kopf weg, anscheinend, um der mit ihren Haaren beschäftigten Zofe zu helfen, doch in Wirklichkeit, um ihre geschwollenen Augen zu verbergen, bis kosmetische Mittel die verräterischen Hinweise auf ihre unglückliche Stimmung verschleierten. »Du kannst mitkommen oder nicht, wie du willst.«
    Ihre Kälte verletzte Kevin, und er unterbrach abrupt seine Dehn-und Streckübungen. Er schaute sie an; sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken und mußte ihn nicht erst ansehen, um zu wissen, daß ein leiser Vorwurf in seinen Augen stand. »Ich komme natürlich mit«, sagte er langsam. Dann fügte er, verärgert darüber, daß in seiner Stimme ein Unterton mitschwang,

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