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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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und hatte ein kräftiges Gesicht, dessen Mund in einem ausladenden Mehrfachkinn ziemlich verschwand. Die Augen wurden von schweren Lidern beschattet und schossen hierhin und dorthin; vermutlich konnten sie auf einen Blick den Wert jedes einzelnen Juwels an Maras Kostüm abschätzen. Der Hüter des Kaiserlichen Siegels hatte außerdem eine Schwäche für Süßes, wie der Haufen Keljir-Blätter in seinem Mülleimer bewies. Das klebrige Konfekt aus dem Extrakt eines Baumsaftes hatte seine Zähne bereits verfärbt und verlieh seiner Zunge einen leichten orange-roten Stich. Seine Verbeugung blieb flüchtig, zum Teil wegen seiner massigen Gestalt, zum Teil wegen seiner ebenso gewichtigen Überzeugung von seiner eigenen Wichtigkeit.
    Die Kammer roch nach dem Schweiß des fetten Mannes und nach altem Wachs, woraus Kevin schloß, daß die Läden vermutlich immer verschlossen waren. Er hielt ein Täschchen mit Tinte, Federn und Pergamenten für Arakasi bereit und machte sich auf eine langweilige Wartezeit gefaßt, als Mara die Begrüßungszeremonie eröffnete. Der Beamte nutzte die Pause dazu, die Schublade seines Schreibtischs zu öffnen und ein Keljir auszuwickeln, als wäre das ein geheiligtes Ritual. Er steckte es in den Mund, lutschte hörbar daran und ließ sich dann zu einer Antwort herab.
    »Es geht mir gut.« Seine Stimme war tief und laut. Er räusperte sich sorgfältig, zweimal. »Lady Mara von den Acoma.« Er lutschte wieder geräuschvoll an dem Bonbon, dachte nach und fügte dann hinzu: »Ich nehme an, es geht Euch gut?«
    Mara nickte leicht.
    Der Kaiserliche Beamte verlagerte sein Gewicht etwas auf den Kissen, und der Boden knarrte. Er schob das Bonbon mit einem Schnalzen seiner Zunge in die andere dicke Backe. »Was führt Euch an diesem schönen Morgen zu mir, Lady Mara?«
    Kevin hörte sie etwas erwidern, doch er konnte keine einzelnen Worte verstehen.
    Die Kinnbewegungen des Beamten hörten schlagartig auf. Er räusperte sich, dreimal, sehr bedächtig. Seine Finger trommelten auf die Knie und hinterließen weiße Flecken auf der Haut, wo der Saum seines Gewandes nicht hinreichte. Dann runzelte er die Stirn, und die Augenbrauen zogen sich über seiner knubbeligen Nase zusammen. »Das ist – das ist ein sehr ungewöhnliches Ersuchen, Lady Mara.«
    Die Lady führte es näher aus, und als das Wort »Midkemia« fiel, spitzte Kevin die Ohren.
    Die Lady der Acoma beendete ihren Vortrag sehr deutlich. »Es ist eine Laune.« Sie zuckte mit den Achseln in einer Weise, die Kevin als durch und durch weiblich einstufte und die ganz sicher dazu dienen sollte, ihr Gegenüber zu entwaffnen. »Ich wäre Euch sehr dankbar.«
    Der Hüter des Kaiserlichen Siegels rutschte auf seinen Kissen hin und her. Sein Stirnrunzeln begann unangenehm zu werden.
    Mara sagte etwas.
    »Ich weiß, daß der Spalt geschlossen ist!« platzte es aus dem Beamten heraus, der so verblüfft war, daß er hart auf das Bonbon biß. Einen Augenblick sah er so aus, als hätte er sich einen Zahn abgebrochen. »Eure Bitte um diese offensichtlich wertlose Konzession ist sonderbar. Sehr sonderbar.« Er räusperte sich erneut und wiederholte noch einmal, »sehr sonderbar«, als gefiele ihm der Klang dieser Wörter.
    Kevin ertappte sich dabei, wie er sich neugierig nach vorn beugte; dann begriff er, daß das gar nicht gut war. In diesem Land war es nicht förderlich, wenn ein Sklave Interesse an den Angelegenheiten seiner Vorgesetzten zeigte.
    Jetzt sprach Mara erneut; Kevin fluchte innerlich, denn wieder war es viel zu leise für ihn.
    Der Kaiserliche Beamte kratzte sich am Kinn, er war offensichtlich am Ende seiner Weisheit. »Kann ich das tun?«
    »So steht es im Gesetz geschrieben«, entgegnete Mara. Sie winkte Arakasi zu sich, der sich schräg hinter ihr verbeugte. »Mein Buchhalter wird es Euch gerne erklären.«
    Der Hüter des Kaiserlichen Siegels zermalmte den letzten Rest des Bonbons. Er sah besorgt aus und winkte Arakasi zu sich, als wäre er nicht wichtiger als ein Sklave.
    Der Supai griff in die Tasche seines Kittels und zog ein Dokument hervor. Er öffnete die Schleife, rollte das Pergament forsch auseinander und las eine Passage vor, die aus einem Buch abgeschrieben war. Darin hieß es, daß der Hüter des Kaiserlichen Siegels nach seinem Ermessen Übertragungen von Handels-und Gildenrechten vornehmen sowie eine begrenzte Anzahl von geringfügigen Steuern auf Güter oder Dienste erheben konnte, wenn die Angelegenheit als zu unbedeutend erachtet

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