Zeit des Aufbruchs
etwas nicht, Pat?«
Patrick seufzte und fuhr mit der Hand über seinen kahlen Schädel. »Darauf kannst du wetten. Es stimmt ganz und gar nichts. Und ich bin eigentlich froh, daß du nicht bis morgen gewartet hast, sondern gleich gekommen bist. Ich nehme an, du weißt von Jake und Douglas.«
Kevin holte hörbar Luft. »Nein«, sagte er leise. »Was gibt es da zu wissen?«
»Sie wurden gehängt, weil sie versucht hatten zu fliehen!« Patrick beugte sich etwas vor; er war wütend und verbittert. »Wir hörten von einem vorbeikommenden Händler von dem kaiserlichen Erlaß. Du warst nicht hier, um ihnen die Idee auszutreiben. Bei den Göttern, ich habe es versucht. Sie haben so getan, als würden sie zuhören, und in der nächsten Nacht haben sie dann versucht auszubrechen. Keyoke, der alte Fuchs, kennt uns inzwischen gut genug; er hat geahnt, daß jemand versuchen würde, in die Berge zu flüchten. Krieger warteten auf die beiden Jungen, und sie waren noch vor Anbruch des Morgens tot.«
Kevin spürte einen Stich, als ein Insekt sich an seinem Unterschenkel zu schaffen machte. Er schlug es mit einer Wut weg, die er aus seiner Stimme heraushielt. Sorgfältig ließ er die Neuigkeit auf sich wirken. »Du hast einen kaiserlichen Erlaß erwähnt. Was ist es?«
»Du weißt es nicht?« Patrick lachte ungläubig und mit einem deutlich sarkastischen Unterton. »Du warst in der Heiligen Stadt, in der Begleitung von gottallmächtigen Edlen, und du weißt es nicht?«
»Nein, ich weiß es nicht«, zischte Kevin. »Würdest du endlich so freundlich sein und es mir sagen?«
Patrick hielt inne, kratzte sich an einer Wunde am Knie und seufzte. »Verdammt, du sagst die Wahrheit, was das angeht. Möglicherweise ist das gar nicht überraschend, wo Sklaven den Wichten in diesem verwünschten Land nicht mehr bedeuten als Needra-Bullen.«
»Verflucht, Patrick, jetzt sag es mir endlich! Wenn es einen kaiserlichen Erlaß gegeben hat, der Sklaven betrifft, will ich wissen, was es ist.«
»Ganz einfach«, sagte der kahle Mann, der im Laufe der Jahre beinahe zu einem Fremden geworden war. »Es heißt darin, daß die Sklaven, die von dem midkemischen Magier Milamber in der Arena befreit worden sind, ein außergewöhnlicher Zufall waren. Milamber ist aus der Versammlung ausgestoßen worden wegen einer Tat, die, wie alle sagen, nicht seiner Pflicht gegenüber dem Kaiserreich entsprach – er ist ein Gesetzloser aus gutem Grund, sagen sie, und es ist ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden. Und der Kaiser hat Unterschrift und Siegel unter ein Dokument gesetzt, das in jeder Stadt aufgehängt wurde und besagt, daß niemals andere Sklaven befreit werden können. Damit wurden die Hoffnungen, die du uns gegenüber immer hochgehalten hast, ziemlich zunichte gemacht, alter Freund. Jake und Douglas verloren den Mut, sie wollten nicht weiter warten, genau wie andere, die ebenso ungeduldig sind und nicht mehr lange hier rumhängen werden.« Seine Stimme klang jetzt bitter. »Die Nachricht hat sie vollkommen fertiggemacht. Ich glaube, sie wußten, daß sie erwischt werden würden, doch sie machten sich nichts daraus.« Er seufzte. »Es ist verdammt hart, sich vorzustellen, wie wir all die Jahre gehofft haben, auf die eine oder andere Weise nach Hause zu kommen. Ich schätze, die Aussicht darauf, diese Sklavenarbeit jeden Tag zu tun, bis zum Tod …«
Stille breitete sich aus, als Kevin die Bedeutung der Nachricht, die sein Landsmann ihm soeben übermittelt hatte, auf sich wirken ließ. Auch Patrick versank in Gedanken und begriff, daß die beiden toten Kameraden nicht der Grund für Kevins plötzlichen Besuch waren.
»Du hattest wieder Streit mit ihr«, brachte er vorwurfsvoll hervor.
Kevin nickte reumütig; seine Gefühle als Liebhaber waren jetzt weniger wichtig, da er von Milambers unehrenhaftem, tiefem Fall gehört hatte. Maras merkwürdige Abneigung seit Kentosani hatte also zumindest einen offensichtlichen Grund. Bei nüchterner Betrachtung, in dieser klammen Hütte voller Stechinsekten sitzend, erkannte er, daß er ein Narr gewesen war, sich so aufzuregen. Sie hatte niemals zu den Frauen gehört, die eine Neigung zu hysterischen Anfällen hatten. Und tatsächlich mußte sie sich genauso vor einer Trennung von ihm fürchten wie umgekehrt. Wenn er aufgrund ihres eigenen Befehls bis zum Morgen nicht zurückkehren und die Dinge ins Lot bringen konnte, so konnte er wenigstens den Schwierigkeiten seiner Landsleute die längst überfällige
Weitere Kostenlose Bücher