Zeit des Aufbruchs
Aufmerksamkeit schenken.
»Ich hatte eine anstrengende Nacht«, gab Kevin zu. »Aber das ist kein Grund, die Hoffnung zu verlieren.«
»Verflucht, Mann, der Spalt ist geschlossen«, warf Patrick ein. »Das heißt, es gibt keine Rückkehr mehr für uns; unsere einzige Chance ist es, in den Bergen ein Leben als Gesetzlose zu führen.«
»Nein.« Wieder hatte ein Insekt zugestochen, und Kevin schlug gegen seine Hosen und bat freundlich um etwas Platz auf der Pritsche.
Widerwillig rückte Patrick beiseite.
»Der Spalt ist jetzt geschlossen, das ist wahr.« Die Bettlaken waren rauh, und Kevin fragte sich, welches der beiden Ärgernisse größer war: die Bettlaken seines Kameraden oder die Insekten. Die Matratze war schweißfeucht und klumpig, kein geeigneter Platz, darauf die Nacht zu verbringen. Kevin seufzte, hin und her gerissen zwischen seiner Liebe zu Mara und seiner Verantwortung als der einzige Sohn eines Lords, der seinen Landsleuten Hilfe bringen konnte. Wie immer suchte er Zuflucht im Humor. Statt über die tsuranische Ungerechtigkeit zu schimpfen, ergötzte er Patrick mit einer witzigen Erzählung von Maras Besuch beim Hüter des Kaiserlichen Siegels.
Er entlockte Patrick sogar ein lautes Lachen, als er die Stelle mit dem Bestechungsgeld erreichte. Doch das Wesentliche entging Patrick nicht.
»Du weißt nicht, was in diesem Dokument steht«, stellte der glatzköpfige Mann fest. »Es hat möglicherweise gar nichts mit uns oder der Sklaverei zu tun.«
»Vielleicht nicht«, gab Kevin zu, um schnell hinzuzufügen: »Aber das ist nicht der Punkt.«
Skeptische Stille trat ein. Die Pritsche wackelte, als Patrick sich gegen die Wand lehnte. »Was ist es dann, alter Freund? Ich warte.«
»Sie verhandelte um ein Recht, das mit Midkemia zu tun hat«, fuhr Kevin fort, als wäre die Schlußfolgerung ganz klar. Als Patrick nicht mitkam, erläuterte er es näher. »Offensichtlich glaubt unsere Lady, daß der Spalt eines Tages wieder geöffnet wird.«
»Und das soll die Jungs also bei der Stange halten, weiter in Hütten voller Ungeziefer zu leben und sich schlagen zu lassen?« fragte Patrick. »Verflucht, Kevin, du bist unglaublich optimistisch. Die viele Seide und die weiche Haut sind dir zu Kopf gestiegen. Du weißt, daß die Wichte eine Geschichte haben, die Tausende von Jahren zurückreicht. Sie schmieden Pläne für die nächsten fünfzig Generationen, messen ihnen aber bereits in diesem Leben Bedeutung bei.«
Kevin konnte dem nicht widersprechen, doch er gestikulierte flehentlich. »Patrick, sprich mit den Männern. Mach ihnen Hoffnung. Ich will sie nicht einen nach dem anderen durch Maras Soldaten hängen sehen, während ich an einem Weg arbeite, sie nach Hause zu schaffen.«
Patrick grummelte etwas Unverständliches, das ziemlich nach Kraftausdrücken klang. Die Morgendämmerung fiel durch das einzige Fenster der Hütte, und Fußgetrappel aus Richtung der Baracken verkündete die Wachablösung bei den Patrouillen. »Ich muß aufstehen, alter Freund«, sagte Patrick verdrossen. »Wenn ich nicht rechtzeitig beim Freßnapf bin, wird es ein sehr langer Arbeitstag mit einem leeren Magen.«
Impulsiv berührte Kevin die Hand seines Kameraden. »Vertrau mir, Pat. Nur noch ein bißchen länger. Wenn ich die Hoffnung verliere, sage ich es dir, und ich verspreche dir eins: Ich werde nicht als Sklave sterben. Wenn ich es dir sage, führe ich die Flucht in die Berge und unser neues Leben als Gesetzlose an.«
Patrick beäugte ihn kritisch im heller werdenden Morgenlicht. »Du meinst es ehrlich«, räumte er ein. Überraschung lag in seiner Stimme. »Doch es wird schwer sein, die Jungs zu überzeugen. Sie sind wütend wegen Douglas und Jake.«
»Dann sieh zu, daß sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Douglas und Jake«, sagte Kevin energisch, als er sich erhob und durch die Tür ins Freie trat.
Kevin wußte nur zu gut, daß Jican seine Freude daran hätte, ihm Arbeit aufzubürden, und daher nahm er einen kleinen Umweg durch den Garten, als er von den Sklavenquartieren zurück zum Herrenhaus ging. Morgentau näßte seine Füße und den Saum seiner Hose. Gelegentlich traf er eine von Keyokes Wachen. Sie ließen ihn in Ruhe; seit dem Feldzug in Dustari und besonders seit der Nacht der Attentäter hatten sich seine kämpferischen Fähigkeiten mit dem Schwert herumgesprochen. Maras Krieger würden ihn niemals öffentlich anerkennen, doch sie fanden ihren Weg, wie sie ihm wortlos Respekt zollen konnten. Sie
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