Zeit des Aufbruchs
sein Gewicht von einem Bein auf das andere, während es in dem geschlossenen Raum immer stickiger wurde. Arakasi und der Hüter des Kaiserlichen Siegels diskutierten endlos und dabei freundlich über die Wortwahl, während Sklaven mit Kohlepfannen, Schüsseln mit verschiedenfarbigem Wachs und Spulen mit Bändern hin und her eilten. Der Nachmittag war längst angebrochen, als der Beamte das Kaiserliche Siegel auf das Dokument für die Übertragung bestimmter Rechte an Mara setzte. Wieder trat eine Pause ein, während die Tinte trocknete und ein Krieger zum Stadthaus geschickt wurde, um die Centuries und Smaragde zu holen. Während sie warteten, kaute der fette Mann weiter Keljir und erging sich über die in diesem Jahr armselige Qualität gefärbter Federn. Er hatte eine Indigo-Robe erworben, die bereits begonnen hatte, zu Staub zu zerfallen.
»Die Kaufleute scheuen seit den Unruhen nicht davor zurück, Waren zweiter Wahl zu verkaufen«, lamentierte er, während er auf seinen eigenen Buchhalter wartete, der eigens dafür kommen sollte, die offiziellen Bänder, die das Pergament in die Form einer Schriftrolle brachten, zuzuknoten. »Der Stoff unserer Kleidung geht zugrunde«, endete der Hüter des Kaiserlichen Siegels traurig. »Einige sagen, als nächstes ist die Ordnung im Kaiserreich dran.«
«Nicht, solange die Versammlung der Magier sie garantiert«, wandte Arakasi ein. Er trat schnell vor und nahm das Pergament entgegen, bevor der Beamte es zur Betonung eines weiteren Punktes hin und her schwenken konnte.
Dankenswert schnell wurde Kevin daraufhin die Tasche mit den Schreibutensilien überreicht; auch das Dokument war darin sicher aufgehoben. Mara erhob sich und verließ nach einer Verbeugung mit ihrer Gruppe die glühendheiße Kammer. Hinter ihnen hörten sie den Hüter des Kaiserlichen Siegels mit bellender Stimme nach seinem Diener rufen.
»Es sind keine Keljir-Bonbons mehr in meinem Glas! Was ist bloß aus unserer Tüchtigkeit geworden? Die Kleiderfärber sind faule Betrüger, die Kaufleute verkaufen minderwertige Ware, und jetzt glauben auch schon meine eigenen Diener, sie könnten ungestraft meine Bedürfnisse ignorieren! Das Kaiserreich steuert auf den sicheren Ruin zu, aber das scheint außer mir ja keinen zu kümmern!«
Nach ihrem Besuch beim Hüter des Kaiserlichen Siegels hielt Mara sich nicht länger in Kentosani auf, sondern ließ noch am selben Nachmittag ihre Barke für die Rückkehr nach Sulan-Qu und auf ihren Landsitz vorbereiten und beladen. Das Wetter war gleichbleibend heiß, selbst für kelewanesische Verhältnisse schwül, und wie so oft während einer Reise auf dem Fluß zog sich Mara in ihre Gemächer zurück. Sie verbrachte viele Stunden in Unterredungen mit Arakasi oder las Schriftrollen, die ihre Makler ihr von den Märkten in der Heiligen Stadt zugesandt hatten. Die übrige Zeit starrte sie tief in Gedanken versunken aufs Wasser und nahm dabei noch nicht einmal den Strom stetig vorbeiziehender Boote und Barken richtig wahr.
Kevin vertrieb sich die Zeit beim Würfelspiel mit den gerade nicht zur Wache eingeteilten Kriegern der Ehrengarde oder indem er Witze mit den Ruderern riß. Als Sklave durfte er seine Gewinne nicht behalten, was vom Standpunkt der Verlierer nur gut war, denn er beanspruchte eine Unmenge gottlosen Glücks für sich. Ohne Zwischenfälle dockte die Barke wieder in Sulan-Qu an, und Maras Gefolge formierte sich neu. Während die Lady sich zu ihrer Sänfte begab, wurden ihre Waren und Kisten in ein Lagerhaus geschafft; sie würden erst mit der nächsten Karawane nach Hause gelangen. In einem der schöneren Bezirke der Stadt suchte Mara ein Gasthaus auf und aß eine Kleinigkeit. Danach, bei Einbruch der Dämmerung, setzte sich die Gruppe in Richtung Herrenhaus in Bewegung; die Laternen der Krieger leuchteten ihnen den Weg. Müde von der Sonne hatte Kevin die Pause in der Stadt dazu genutzt, mit den Sänftenträgern ein Nickerchen zu machen, statt Straßenklatsch von Bettlern aufzuschnappen, die ihm, dem Fremden und Sklaven gegenüber ohnehin verdrießlich und mürrisch waren.
Seit dem Besuch in Kentosani hatten die Ereignisse und zufälligen Umstände es unmöglich gemacht, daß Kevin etwas Zeit mit der Lady allein verbringen konnte. Er nahm ihr das nicht übel. Sie trug den Mantel der Acoma, und ihre Verantwortung beanspruchte sie manchmal so sehr, daß einfach keine Zeit übrigblieb.
Gewöhnlich kam das Kevins Bedürfnis nach Freiheit entgegen. Es gab
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