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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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gestanden. Beinahe hätten die Minwanabi den Blutschwur gegenüber Turakamu erfüllt. Schauer fuhren immer wieder durch Maras Körper. Sie erinnerte sich an den Pfeilhagel, der über ihren Kopf zischte, als Kevins Gewicht sie niederdrückte und sie damit rettete. Sie ging schneller und protestierte nicht, als die Sänfte schließlich ankam und Lujan sie, ohne langsamer zu werden, hochhob und hineinverfrachtete.
    Diese Träger waren ausgeruht. Mara gab Lujan das Zeichen, eine Ehrengarde zusammenzustellen, und ließ die anderen Soldaten mit den Verwundeten und Toten langsamer nachkommen.
    Sie war völlig verzweifelt und schrie den Sklaven zu, die letzte Viertelmeile zu dem hell erleuchteten Herrenhaus im Laufschritt zurückzulegen.
    Hier traf sie Keyoke, grimmig und in einer Rüstung von der Taille aufwärts. Er hatte den alten Helm – ohne Federbusch – aufgesetzt, und sein Schwert hing an einer Seite; er war auf das Schlimmste vorbereitet gewesen für den Fall, daß sie die Nachricht vom Tod ihrer Herrin erhalten sollten.
    Mara stolperte aus der Sänfte, noch bevor Lujan ihr die Hand reichen konnte. Sie flog in die Arme des alten Kriegers, und als sie die Wange gegen die harte Brustplatte schmiegte, konnte sie nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.
    Keyoke stand fest auf seiner Krücke und strich ihr mit seiner freien Hand über die Haare. »Mara-anni.« Mit tiefer Stimme benutzte er die Anrede, die ein Vater seiner geliebten Tochter gegenüber gebrauchte. »Nacoya ist höchst ehrenvoll gestorben. Sie wird in den Hallen Turakamus mit allen Kriegerehren besungen werden und den Namen der Acoma mit Stolz verbreiten.«
    Mara unterdrückte einen zittrigen Schluchzer. »Mein Sohn«, keuchte sie. »Wie geht es ihm?«
    Der Kriegsberater und Lujan tauschten über ihrem gebeugten Kopf einen raschen Blick. Es waren keine Worte nötig, und der Kommandeur führte Mara sanft am Ellenbogen fort und befreite Keyoke von ihrem Gewicht.
    »Wir werden sofort zu Ayaki gehen«, sagte der alte Berater. Er unterließ es bewußt, nach dem Grund ihrer zerzausten Erscheinung oder den Blutflecken auf ihrem Gewand zu fragen. »Euer Sohn schläft; Jican kümmert sich um ihn. Der Schnitt an seinem Nacken wurde rasch versorgt, doch er hat viel Blut verloren. Es wird ihm nach einiger Zeit wieder gutgehen, doch eines solltet Ihr wissen: Wir konnten ihn nicht dazu bringen, mit dem Weinen aufzuhören. Er steht unter einem schrecklichen Schock.«
    Mara hielt abrupt inne und widerstand allen Versuchen, sie weiterzuführen. »Kevin«, sagte sie verzweifelt. »Ich möchte, daß er in meine Gemächer gebracht wird und daß sich jemand um ihn kümmert.«
    »Lady«, erwiderte Lujan fest. »Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, eine entsprechende Anweisung zu geben.« Er faßte sie jetzt etwas fester um die Taille und schob sie den Flur entlang, der zu ihren Gemächern führte. Eine umsichtige Person, wahrscheinlich Jican, hatte jede Lampe anzünden lassen, damit keiner ihrer Schritte im Dunkeln lag.
    Wieder trafen sich die Blicke des Kommandeurs und des Kriegsberaters. Keyoke wußte, daß Maras Gruppe in einen Hinterhalt geraten war; er wartete jetzt ungeduldig darauf, Einzelheiten zu hören. Lujan versicherte mit einem wortlosen Nicken, daß er alles erfahren würde, doch außerhalb von Maras Hörweite. Sie hatte Kummer genug, und man mußte ihr nicht zumuten, die Unerfreulichkeiten des Tages noch einmal zu ertragen.
    Sie hatten ihre Gemächer erreicht. Die Läden waren weit aufgerissen, und ein Dutzend bewaffneter Krieger stand Wache. Im Raum selbst lag eine kleine Gestalt in einem Meer aus Kissen, weiße Bandagen um den Hals gewickelt. Jemand saß bei ihm, doch Mara schaute nicht genau hin, um zu sehen, wer es war, sondern riß sich von Lujan los und fiel neben ihrem Kind auf die Knie. Sie berührte ihn, offenkundig erstaunt über seine Wärme. Dann, zärtlich auf seine Verletzungen achtend, nahm sie ihn in die Arme. Jetzt weinte sie jenseits aller Versuche, sich zu beherrschen, und ihre Tränen rannen über Ayakis Wange.
    Ihre Offiziere wandten den Blick ab, unerschütterlich bestrebt, ihre Schande nicht zu beachten, und die Person auf den Kissen erhob sich taktvoll.
    Mara blinzelte durch tränenverschleierte Augen hindurch und erkannte Jican. »Bleibt«, sagte sie zitternd. »Ihr alle sollt bleiben. Ich will nicht allein hier sein.«
    Die Laternen brannten noch lange, während sie bei ihrem Sohn saß und ihn sanft in den Armen wiegte.
    Später

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