Zeit des Aufbruchs
unversöhnliche Feind würde seine ganze Aufmerksamkeit darauf richten, ihr Haus in dem Augenblick zu vernichten, da die Sackgasse offensichtlich werden würde. Sicher würde die Lady der Acoma nicht lang genug leben, um ihre Prophezeiung in Erfüllung gehen zu sehen. Ihre Hände fuhren instinktiv über ihren Bauch, als wollte sie Kevins ungeborenes Kind schützen. Junge oder Mädchen, möglicherweise würde das Kind niemals geboren werden.
Und falls Jiro geduldig und schlau genug war, um zu überleben, während der Konflikt tobte, konnte er als Kompromißfigur für das Amt des Kriegsherrn daraus hervorgehen. In tiefes Nachdenken über all diese Möglichkeiten versunken, verlor Mara sich in dem verwirrenden Gewirr des Großen Spiels.
»Lady, seid Ihr krank?«
Lord Iliandos Frage riß sie aus ihrer Grübelei. »Nein, ich bin nur … erschöpft.« Sie wischte die Sorge ihres Gastgebers beiseite und sagte: »Ihr steht in meiner Schuld.«
Der Mann neigte seinen Kopf und bestätigte das. Bedauern färbte seinen Ton. »Ich werde meine Ehre nicht kompromittieren, Mara. Ihr habt nur Anspruch auf eine einzige Stimme im Rat – und nur unter Umständen, die weder meine Familienehre noch die Clanehre berühren. So lauteten die Bedingungen.«
»Ich würde niemals von Euch verlangen, Eure Integrität zu verletzen«, versicherte Mara. »Statt dessen möchte ich Euch bitten, die Unterstützung des Clans Ionani herbeizuführen. Wenn Ihr Eure Verwandten überreden könnt, den Clanlord der Ionani gegen das Haus Minwanabi aufzustellen, habt Ihr Eure Schuld abgetragen wie auch Eurer Ehre Genüge getan.«
Iliando zuckte mit den Schultern. »Selbst von denen, die am Ende Tasaio unterstützen, werden einige in der ersten Runde der Form halber Lord Frasais Anspruch befürworten, Mara. Davon kann man ausgehen.«
»Glaubt nicht, es ginge bei meiner Bitte darum, daß Ihr Lord Frasai der Form halber Eure Achtung erweist«, unterbrach Mara. Auf der anderen Seite des Ladens begann das erste fahle Grau, die Nacht zu vertreiben. Die Zeit lief ihr davon, und diese Erkenntnis ließ sie allmählich die Geduld verlieren. »Ich verlange so viele Stimmen wie möglich, selbst wenn dadurch ein Konflikt zwischen Tasaio und Eurem Clanlord aufbricht. In diesem Fall verlasse ich mich auf die Versicherung, daß der Clan Ionani nicht schwankt, bis ich deutlich zu verstehen gebe, daß es nicht länger sinnvoll ist. Besonders da Jiro von den Anasati um diese Zeit morgen den Lord der Tonmargu als Clanlord ersetzen könnte.«
Lord Iliando seufzte tief. »Ihr verlangt etwas Schwieriges. Ich werde sehen, was ich tun kann, und werde dabei mit Lord Ukudabi beginnen. Er ist einflußreich, und sein Cousin, Lord Jadi, wurde von Tasaios Onkel ruiniert, also hat sein Haus keine freundschaftlichen Gefühle den Minwanabi gegenüber.«
»Gut.« Mara setzte ihre halbgeleerte Tasse ab und stand auf. »Ich werde den Lord der Tonmargu selbst aufsuchen.« Als ihr Gastgeber sie zur äußeren Tür brachte, fügte sie hinzu: »Es geht hier um mehr als um eine Fehde zwischen mir und Tasaio, Mylord Iliando. Das Kaiserreich befindet sich in einer Zeit des Wandels, und es liegt an Euch und mir und anderen wie uns, zu entscheiden, ob es zum Guten oder zum Schlechten sein wird. Denkt daran: Egal was Ihr sonst denken mögt, ich diene dem Kaiserreich.«
Erst als sie draußen war, zeigte Mara, wie eilig sie es hatte. Sie gab Lujan rasche Anordnungen, kletterte in die Sänfte und ertrug eine rüttelnde Fahrt, als die Träger durch die Stadt liefen. Die Straßen waren zu dieser Stunde leer, bis auf die Gemüseverkäufer mit ihren vollbeladenen Needra-Wagen und die Priester, die ihre Morgenandachten abhielten. Mara war zu angespannt, um schläfrig zu sein, und sie schloß die brennenden Augen, bis sie am Ziel angekommen waren – ein unauffälliges, aber wunderschön gelegenes Haus im alten Teil der Stadt, mit Wachen in blauen Rüstungen an den Toren.
Noch während ihre Träger die Sänfte hinunterließen, zog Mara die Vorhänge auf und rief: »Mara von den Acoma!«
Der diensthabende Offizier näherte sich und salutierte. »Mylady, was kann ich für Euch tun?«
»Verkündet Eurem Lord, daß ich darum bitte, ihn sofort zu sehen!«
Der Offizier verbeugte sich mit tadelloser Höflichkeit und schritt durch die Tore. Trotz der frühen Stunde war Kamatsu von den Shinzawai nicht im Bett. Er hatte bereits gefrühstückt und ordnete an, Mara in das gemütliche Arbeitszimmer bringen zu lassen,
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