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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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die letzte Bestätigung für ihre veränderten Überzeugungen war. Nie wieder würde sie mit dem rigiden Kastensystem ihres Volkes leben können. Männer und Frauen waren nur Menschen – die Götter machten sie nicht mit unwiderruflicher Endgültigkeit zu Sklaven, Edlen oder Handwerkern. Daß in ihrer Kultur ein Sohn in beispielloser Ehrenhaftigkeit leben konnte, ohne jemals einen Rang zu erhalten, der seinen Verdiensten entsprach, war ungerecht und eine Verschwendung ersten Ranges.
    »Es ist eine Schande für uns«, murmelte sie unbewußt laut, »daß dort ein Gefangener die Freiheit erhalten und ein edles Haus begründen kann, das sich eines Tages zu voller Größe inmitten seiner ehemaligen Feinde erhebt – jene, die wir Barbaren nennen –, während ihre genauso wertvollen Söhne bei uns im Kaiserreich niemals mehr als Sklaven sein können. Ich fürchte, wir sind die Barbaren, nicht die Midkemier.«
    Der Kaiser von Tsuranuanni war erstaunt über dieses Konzept, das er vorher nur mit Kamatsu von den Shinzawai besprochen hatte, und er betrachtete die Frau auf der anderen Seite des Geländers aufmerksam. »Das dachte ich auch. Dann schätzt ihr vielleicht die Tatsache, daß alle Sklaven, die durch den Spalt ins Königreich zurückgeschickt wurden, in ihrer Heimatwelt freie Männer sein werden. Ihr König Lyam schwor es mir jedenfalls, und wenn auch die erste Friedensverhandlung ein fürchterliches Unglück war, halte ich ihn doch für einen ehrenvollen Herrscher.«
    Mara, aufgewühlt von Erinnerungen an Kevin, konnte nur nicken.
    »Ich gebe dem Hohen Rat die Kontrolle über das Kaiserreich nur ungern zurück«, grübelte Ichindar und wandte sich damit wieder dem Thema zu, das Mara hergeführt hatte. Er senkte seine Stimme, damit die Priester und der Schreiber ihn nicht hören konnten. »Ich beginne aber auch zu glauben, daß vor uns die Möglichkeit liegt, von neuem zu beginnen.« Er ließ Maras Hand mit einem halb verdrießlichen Lächeln los, das sie merkwürdig an Hoppara erinnerte. Dann, während er seinem Diener bedeutete, ihm die Kopfbedeckung wieder aufzusetzen, ging er zurück zu seinem erhöhten Thron.
    Als er erneut mit allen Insignien der Macht dasaß, verkündete er die offizielle Antwort: »Was auch morgen geschieht, das Kaiserreich wird sich für immer ändern. Die Magier haben darüber beraten, doch sie zögern, sich weiter in die Politik einzumischen, da die Gefahr nicht mehr existiert, die vom Alten Feind ausging. Viele meiner Verbündeten gegen diese Bedrohung haben sich zurückgezogen« – er deutete auf die leeren Stühle auf den Stufen der Pyramide –, »einige auch, weil ich Axantucar verdammt habe.« Ichindar sah Mara noch ein letztes Mal lange und eingehend an. »Ich denke, Euer Plan hat gewisse Vorzüge, doch das Risiko, das Ihr eingeht, ist ähnlich groß, wenn nicht noch größer, wie jenes, das Ihr zu vermeiden trachtet.« Er mußte nicht noch darauf hinweisen, daß mehr als nur Lords stürzen würden, wenn Maras Plan fehlschlug. Das Kaiserreich selbst würde in blutigem Chaos versinken. »Ich werde Euch morgen meine Entscheidung zukommen lassen«, erklärte Ichindar. »Tasaio hat bereits um ein Treffen im Beisein aller Lords ersucht – es ist unumgänglich, daß ich vor dem Hohen Rat erscheine, um mich meiner Verantwortung zu stellen.«
    Jetzt wirkte Ichindar nur noch wie ein Junge, der ein kostbares Gewicht aus Juwelen, blitzenden Metallen und Silber trug, als er seufzte: »Ich nehme an, ich habe keine Wahl. Ich werde mich Tasaio entgegenstellen müssen.« Er beendete die Audienz mit einem müden Lächeln. »Was immer geschieht, Lady Mara, Ihr habt meine Hochachtung. Erwartet morgen meine Nachricht, und mögen die Götter Euch und den Namen Eurer Ahnen beschützen.«
    Mara verneigte sich tief; sie bewunderte diesen jungen Mann, der von Kindheit an erzogen worden war, die Tradition zu ehren, und doch mit genügend Phantasie und Intelligenz ausgestattet war, um hinter falschem Ruhm das größere Wohl seines Volkes zu erkennen. Mit dem Wissen, daß er etwas Besonderes war und sein Amt möglicherweise niemals mehr mit einer anderen Person von solch unvoreingenommener Wahrnehmungsfähigkeit besetzt werden würde, verließ sie die große Halle.
    Im Vorraum zur kaiserlichen Audienzhalle wartete ihre eigene Gruppe, eine ausgewählte Ehrengarde mit Saric und Lujan; Arakasi spielte einmal mehr den Diener. Als einer der Minister von Ichindar sie durch die kaiserlichen Gemächer geleitete, war

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