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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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»Alle, die der Wahl beiwohnen, nehmen große Gefahren auf sich. Es gibt keinen klaren Nachfolger für diesen Titel.«
    Doch diese Gefahr, so offensichtlich sie auch war, war noch längst nicht die schlimmste. Mara hob ihren festen Blick im hellen Schein der Lampen. »Wenn die Gegenwart der Acoma im Rat jemals notwendig war, dann um Almechos Nachfolger zu wählen. Nur fünf Lords verfügen über genügend Anhänger und Verbündete, um diesen Titel anstreben zu können – und einer von ihnen ist Desio von den Minwanabi. Er darf seinen Anspruch unter keinen Umständen durchsetzen.«
    »Ihr habt Verhandlungen geführt«, räumte Arakasi ein, »und genügend Versprechen für Stimmen gesammelt, so daß Ihr im Rat einigen Einfluß habt. Doch jetzt, wo jede Ordnung zusammengebrochen ist, könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß die, auf die Ihr zählt, auch da sind?«
    Jetzt wurde Maras Erschöpfung offensichtlich. »Es gibt keine größere Gefahr, als wenn Desio Weiß und Gold trägt.«
    Lujan fingerte am Griff seiner Waffe. »Könnte das denn geschehen?«
    »Wenn die Dinge normal verlaufen, sicher nicht. Jetzt …?« Der Supai zuckte mit den Schultern. »Wer von uns hätte heute morgen geglaubt, daß die Herrschaft Almechos noch vor Sonnenuntergang ein unehrenvolles Ende finden würde?«
    Die Nacht jenseits der Fenster schien plötzlich besonders dunkel. Eine Woge von Ängsten stürmte auf Mara ein, und sie sehnte sich nach den beruhigenden Armen Kevins; doch der war draußen bei den Kriegern und half die Risse zu flicken, die das Erdbeben in der Mauer hinterlassen hatte. Bei seinem Streit mit dem Kriegsherrn hatte Milamber mehr als nur Steine und Köpfe zerschmettert. Seine Tat hatte die gesamte Hierarchie im Kaiserreich bis in die Grundfesten erschüttert, und es würde lange dauern, bis Gras darüber gewachsen war.
    »Es scheint, als müßten wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten«, verkündete Mara mit fester Stimme. »Arakasi, sobald Ihr könnt, müßt Ihr Euch in die Stadt aufmachen. Versucht, jedes Gerücht aufzuspüren. Schon bald wird die Macht im Kaiserreich neu verteilt werden, und wenn wir nicht jeden unserer Schritte sorgfältig planen, könnten wir in dem Gerangel erdrückt werden.«
    Es folgte eine angespannte, schlaflose Nacht, während Lujans Krieger das Mobiliar verschoben und alte, vergitterte Fensterläden aus den Lagerräumen holten. Die altehrwürdigen Wohnhäuser in Kentosani hatten seit mehreren Jahrhunderten keinen Angriff mehr erdulden müssen, doch die alten Mauern waren solide. Im Licht der Laternen, die von Sklaven gehalten wurden, befestigten die Krieger jetzt auch die Tore und Türen, so gut sie konnten.
    Geräusche von Streitereien und Handgreiflichkeiten drangen aus dem Inneren der Stadt zu ihnen, und eilige Schritte jagten die Straße entlang. Waren diese Männer flüchtende Diebe – oder waren es Attentäter, die Rivalen um die Macht erdolchen sollten? Kein einziger der im Schutz der Mauern verharrenden Krieger wagte es, die Tore zu öffnen, um die Antwort herauszufinden.
    Drei Stunden nach Einbruch der Nacht kehrte Truppenführer Kenji zurück. Er hatte eine Schwertwunde an der Schulter, und seine Rüstung war von harten Kämpfen ziemlich mitgenommen. Er fand Lady Mara in der Küche, in eine Unterredung mit Jican über die Nahrungsvorräte vertieft. Aus der Tafel in ihrer Hand und der vor sich gehenden Bestandsaufnahme schloß er, daß sie sich auf eine Belagerung vorbereitete.
    Kenji verbeugte sich, und Mara nahm die Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Sie forderte einen Diener auf, Chocha zu bringen, und setzte ihren Truppenführer an einen Arbeitstisch, während der verbeulte Korb mit den Heilmitteln wieder aus dem Lager hervorgeholt wurde.
    »Die Sajaio sind vom Mob überschwemmt worden.« Kenji versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen, als er die Verschlüsse seiner Rüstung zu öffnen begann.
    »Nicht«, sagte Mara. »Laßt mich einen Sklaven rufen.«
    Doch Kenji war zu benommen und pflichtbewußt, als daß er ihren Worten Beachtung geschenkt hätte. Als der erste Verschluß sich löste, fingerte er schon am nächsten, während er gequält Bericht erstattete. »Die beiden Männer bei mir sind tot. Einer starb im Kampf, der andere im Feuerregen. Der Mob riß mich weit fort, obwohl ich darum kämpfte, zum Stadthaus zurückzukehren. Im Tempelbezirk drängten sich dicht die Massen; die Angst um ihr Leben trieb sie dorthin. Ich versuchte am Ufer entlang hierherzukommen, doch die

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