Zeit des Aufbruchs
trocken bemerkt, daß er sich nicht wünschen würde, der Bote zu sein, der dem barbarischen Magier die Nachricht von seiner veränderten Position überbringen müsse.
Mara schritt die große Treppe hinunter, auf der sich Waffen, Helme und Armschienen stapelten und Krieger sich ausgestreckt hatten, um auszuruhen. In den Ecken häuften sich Schwerter, und die geschwungenen Verzierungen der Balustrade wurden zum Lagerplatz für Speere. Seit Ankunft der Hilfstruppen waren die ursprünglich dreißig Krieger zu einer Garnison von einhundert angeschwollen, und die Gästezimmer waren vollbepackt mit Offizieren.
Der Hornruf hatte auch andere Schläfer geweckt, und die siebenundfünfzig Mann starke diensthabende Patrouille war vollständig gerüstet. Die Männer waren zum Kampf bereit; beim Erscheinen ihrer Lady nahmen sie Haltung an und machten ihr den Weg zur Tür frei. Mara ging zwischen ihnen hindurch und wunderte sich, daß Kevin nicht bei den Würfelspielern in der Ecke war.
Im Hof draußen waren nicht weniger Krieger. Sie stellten sich in drei Reihen auf dem engen Platz auf, bevor Mara Lujan das Zeichen gab, das Straßentor zu öffnen.
Vier Kaiserliche Weiße warteten auf der anderen Seite zusammen mit einem Herold in einer schenkellangen Robe von strahlendem Weiß. Seine Rangabzeichen blitzten im Sonnenlicht genauso wie das goldene Band um seinem Kopf und der vergoldete Amtsstab.
»Lady Mara von den Acoma«, begann er.
Mara löste sich von Lujan und gab sich zu erkennen.
Der Herold deutete eine Verbeugung an. »Ich bringe Nachricht vom Licht des Himmels. Ichindar, einundneunzigmal Kaiser, bittet Euch, nach Hause zurückzukehren, wenn Ihr möchtet. Geht in Frieden, denn sein Schatten schwebt über dem ganzen Land, und seine Arme schützen Euch. Jeder, der Euren Weg hindert, ist ein Feind des Kaiserreiches. So hat er beschlossen.«
Die Krieger hinter Mara verharrten in erwartungsvoller Stille. Doch zum Erstaunen aller erwähnte der Herold des Kaisers mit keinem Wort eine Ratsversammlung. Ohne auf eine Antwort zu warten oder noch etwas hinzuzufügen, stellte er seine Eskorte wieder zusammen und schritt zum nächsten Haus.
Überrascht blieb Mara stirnrunzelnd im gleißenden Sonnenlicht stehen, während ihre Offiziere das Tor wieder schlossen und verriegelten. Sie hatte Gewicht verloren seit der Flucht aus der Arena und war blaß vor Sorgen, und dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Angesichts dieser neuesten Entwicklung ging ein Frösteln durch ihren Körper. Wenn der Kriegsherr in Unehre gestorben war und die Lords des Kaiserreiches mitsamt ihren Familien nach Hause geschickt wurden, statt zu einer Ratsversammlung gerufen zu werden, konnte man es nicht länger leugnen: Der Kaiser war in das Große Spiel eingetreten.
»Wir brauchen Arakasi«, sagte Mara, die mit einem plötzlichen Ruck wieder zu sich kam. Sie blickte ihren Kommandeur eindringlich an. »Wenn die Wachen des Kaisers den Frieden garantieren, können wir doch sicherlich einen Läufer schicken?«
»Hübsche Lady, es wird sofort geschehen«, sagte Lujan in seiner lang vergessenen spitzbübischen Art. »Ob die Straßen sicher sind oder nicht – jeder Mann, jeder Diener hier würde barfuß mitten durch das Chaos rennen, sobald Ihr es verlangt.«
»Das würde ich nicht verlangen.« In einer Mischung aus Heiterkeit und Ernst blickte Mara auf ihre eigenen Füße, die wegen ihrer barfüßigen Flucht durch die Straßen immer noch in weiche Tücher gewickelt waren. »Ich habe es ausprobiert. Jican hat bereits entsprechende Befehle erhalten: Alle meine Sklaven bekommen neue Sandalen.«
Was auf seine Weise wieder den Einfluß des Midkemiers zeigt, dachte Lujan, doch er behielt es für sich. Mit ihren radikalen Ideen und ihrer unerschrockenen Stärke, ihren merkwürdigen Momenten von Erbarmen war die Mistress anders als jeder Herrscher, den er zuvor getroffen hatte. »Wenn Ihr meint, etwas mehr Platz würde guttun«, meinte er, »könnten wir die Hälfte der Garnison in die öffentlichen Bäder schicken.«
Jetzt lächelte Mara. »Sie mögen es nicht, wenn andere auf sie treten, während sie schlafen? Es ist in der Tat ein bißchen überfüllt hier«, gestand sie ein. Tatsächlich roch es in dem Haus wie in einer unsauberen, billigen öffentlichen Herberge. »Tut, was Ihr für richtig haltet, doch ich brauche eine Kompanie zu meiner Verfügung in der Stadt.« Als sie sich umdrehte, um ins Haus zurückzukehren und die Suche nach Arakasi vorzubereiten,
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