Zeit des Aufbruchs
der sich allmählich herauskristallisierenden Machtstruktur an Profil zu gewinnen, wurde immer deutlicher, daß Ichindars Einmischung keine bloße Laune gewesen war. Er hatte sorgfältig vorausgeplant und Männer bereitgehalten, die sich jetzt um Angelegenheiten kümmerten, die gewöhnlich den Maklern und Agenten der Ratsherren überlassen waren. Das Rätsel entwirrte sich weiter, als Arakasi herausfand, welche Fraktionen Ichindar unterstützten. Mitglieder der Partei des Blauen Rades, die beinahe allesamt dem Chaos bei den Kaiserlichen Spielen ferngeblieben waren, standen im Zentrum der Geschehnisse. Selbst die Familien der alten Kaiserlichen Partei, die auf Blutsbande verweisen konnten, waren Außenseiter in dieser neuen Ordnung.
Seit der Deklaration des kaiserlichen Friedens erholte die Stadt sich langsam von ihren Wunden. Die Reparaturen der Schäden, die der barbarische Magier verursacht hatte, begannen mit dem mühsamen Wegräumen der Steintrümmer und geborstenen Holzbalken. Tagelang hing eine Rauchsäule über der Umgebung der Arena, da die Toten dorthin gebracht und verbrannt wurden. Geschichten über Kaiserliche Weiße, die Plünderer oder hamsternde Schwarzmarkthändler hängten, beendeten beide Praktiken. Im Fluß entstanden neue Anlegeplätze, von denen aus kleine Schiffe die Güter an Land brachten, während neue Docks auf den alten Pfahlbauten errichtet wurden. Ganz allmählich erweiterte sich wieder das Angebot in den Geschäften. Diener mit Schulterstangen und Handkarren suchten sich ihren Weg durch die Trümmer, um ihrer Arbeit nachzugehen.
Zehn Tage nach dem Desaster bei den Spielen erhielt Mara Nachricht aus Sulan-Qu. Es hatte einen leichten Zustrom von Flüchtlingen gegeben, und am Fluß hatten Kämpfe um dort gelagerte Waren stattgefunden, doch die Lagerhäuser mit der Handelsware der Acoma hatten keinerlei Schaden genommen. Nacoya berichtete, daß abgesehen von Ayakis Wutanfällen im Herrenhaus alles ruhig war. Der einzige Kampf, den die Erste Beraterin hatte ausfechten müssen, – war der gegen Keyoke gewesen; sie hatte ihn davon abbringen müssen, die halbe Garnison nach Kentosani zu schicken, um seine Herrin zu befreien. Sie hatten durch Arakasis Agenten erfahren, daß sie in Sicherheit war. Mara legte das Pergament mit der Nachricht beiseite. Tränen verschleierten ihren Blick, als sie an die Hingabe derer dachte, die sie so liebten. Sie vermißte ihren Sohn unerträglich und schwor sich, bei der nächsten Gelegenheit mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Eilige Schritte erklangen im Flur. Mara hörte, wie die Wachen Haltung annahmen, dann erschien Arakasi. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen, und er wirkte grimmig. In einem kompletten Bruch des Protokolls stürmte er in ihre privaten Gemächer und warf sich in vollkommener Ehrerbietung auf den Boden, die Stirn gegen den Teppich gedrückt.
»Mistress, ich bitte um Vergebung für meine Eile.«
Ein Anfall von Schwäche überraschte Mara, und sie betupfte sich die Augen. Sie wußte, sie müßte eigentlich Angst empfinden, doch die Ereignisse überschlugen sich derart, daß sie den Eindruck hatte, sie geschähen jemand anderem.
»Setzt Euch«, sagte sie. »Was gibt es Neues?«
Arakasi erhob sich, und seine Augen suchten den Raum ab. »Wo ist Kevin? Er sollte dies auch erfahren, da Ihr sicherlich seine Meinung hören wollt.«
Mara machte eine Handbewegung, und ihr Läufer eilte zur Küche, wo der Midkemier gerade heiße Chocha vorbereitete. Er war schon auf dem Rückweg auf der Treppe, und so trat der barbarische Sklave beinahe sofort ein. »Was ist das für eine Aufregung?« fragte er, als er das mit einer Kanne und mehreren Bechern beladene Tablett absetzte. »Ein bißchen Chocha mit Gewürzen ist sicher nicht Grund genug, von deinem Läufer beinahe umgerannt zu werden.«
Kevin kehrte Mara den Rücken zu, als er den ersten Becher eingoß, und er hatte Arakasi noch nicht bemerkt, der gewöhnlich die hinterste, dunkelste Ecke wählte.
»Erstens haben die Barbaren –«, begann der Supai.
Kevin fuhr so sehr zusammen, daß das Porzellan klirrte, dann wirbelte er herum. »Ihr!« Er überspielte seine heftige Reaktion mit einem säuerlichen Lächeln. »Was haben die Barbaren?«
Arakasi räusperte sich. »Die Midkemier haben einen vollkommen unerwarteten, gewaltigen Gegenangriff gestartet. Unsere Armeen auf Midkemia sind geschlagen und bis zu dem Tal zurückgetrieben worden, von dem aus wir den Spalt kontrollieren! Wir haben soeben die
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