Zeit des Aufbruchs
nicht?«
»Es paßt zeitlich zu gut.« Arakasi, der am verbindlichsten wurde, wenn er Sorgen hatte, drückte sich deutlicher aus: »Wir wissen, daß ein Spion entdeckt wurde und nur auf eine Weise entkommen konnte, die an ein Wunder grenzte. Die anderen beiden blieben unbehelligt, und ihre Informationen waren meistens auch zutreffend. Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl dabei.«
Mara dachte einen Augenblick nach, dann schlug sie vor: »Schleust einen anderen Spion in den Haushalt der Minwanabi ein.«
Arakasi machte sich an einem losen Ende der Schlinge zu schaffen und sah zu, wie sich ein Knoten entwirrte. »Lady, es ist noch zu früh nach der Entdeckung unseres Agenten und auch nicht lang genug her seit dem Aufstieg des neuen Lords. Für welchen Dienst sich neue Kandidaten auch bewerben würden, Tasaio wird ganz sicher alle neuen Kandidaten eingehend untersuchen, besonders nach Axantucars Aufstieg zum Kriegsherrn. Zur Zeit ist es zu gefährlich, einen Fremden in das Haus der Minwanabi zu schicken.«
Nur ein Narr hätte sich nicht dem Urteil des Supais gebeugt. Mara machte eine Geste, die Ausdruck ihrer Enttäuschung darüber war, daß sie keine sichere Informationsquelle in dem Haus hatte, das sie am meisten fürchtete. Tasaio war zu gefährlich, als daß er unbeobachtet bleiben konnte. »Laßt mich darüber nachdenken«, sagte sie zu ihrem Supai.
Arakasi beugte leicht seinen Kopf. »Wie Ihr wünscht, Mylady« Die andere Nachricht war noch weniger angenehm. »Tecuma von Anasati ist krank.«
»Ist es ernst?« Mara richtete sich betroffen auf. Trotz der Auseinandersetzungen, die bereits zur Zeit ihres Vaters begonnen und durch den Tod ihres Mannes wieder aufgeflackert waren, respektierte sie den alten Lord. Und Ayakis Sicherheit hing stark von der inoffiziellen Allianz zwischen den Acoma und den Anasati ab. Mit einem kleinen, selbstkritischen Stich erkannte sie, daß sie Ärger heraufbeschworen hatte, als sie keinen geeigneten Ehemann genommen hatte. Ein Erbe war ein zu dünner Faden, um den Fortbestand der Acoma zu sichern.
Arakasis Stimme riß sie aus ihren Gedanken. »Allem Anschein nach schwebt Tecuma nicht in Lebensgefahr – doch die Krankheit ist langwierig, und er ist ein alter Mann. Viel von seiner früheren Energie ging mit dem Tod seines ältesten Sohnes Halesko während des Verrats auf Midkemia verloren. Jetzt, da Jiro der neue Erbe ist… ich glaube, der Lord der Anasati hat die Lust am Spiel des Rates verloren, vielleicht auch am Leben selbst.«
Mara seufzte. Während die Schatten um sie herum länger wurden, spürte sie den immerwährenden Druck auf sich lasten. Die übrigen Informationen Arakasis waren von geringerer Bedeutung, einige von ihnen würden Jican interessieren. Doch ihre Besorgnis trübte die Unterhaltung mit dem Supai, die gewöhnlich in ein immer wieder aufregendes geistiges Kräftemessen mündete, und sie entließ ihn ohne weitere Spekulationen über seinen Bericht. Als sie wieder allein war, ließ sie ihren Schreibtisch kommen und schrieb eine Nachricht an Tecuma, in der sie ihm rasche Besserung wünschte. Sie nahm ihr Siegel, tauchte es in Tinte und drückte es auf das Pergament; dann forderte sie ihren Läufer auf, einen Boten kommen zu lassen, der die Nachricht dem Lord der Anasati überbringen sollte.
Inzwischen hing die Sonne tief über den Weiden. Die Hitze hatte nachgelassen, und Mara ging eine Zeitlang allein in ihrem Garten spazieren, lauschte dem Plätschern des Wassers auf den Steinen und dem Geraschel der Vögel in den Bäumen. Die Runde im Großen Spiel, die den neuen Kriegsherrn hervorgebracht hatte, war besonders blutig und bitter gewesen. Neue Strategien mußten entwickelt und neue Pläne geschmiedet werden, denn während sowohl die Gewinner wie auch die Verlierer auf ihre Landsitze zurückkehrten und die Lage neu überdachten, würden die Schachzüge und Intrigen weitergehen.
Tasaio war viel gefährlicher als Desio, doch das Schicksal hatte ihm auch eine weit gefährdetere Position beschert als seinem Vorgänger. Die Niederlage in Tsubar hatte seine Mittel verringert, und in dem neuen Kriegsherrn hatte er einen unberechenbaren – und außerordentlich tödlichen – Feind. Tasaio würde zunächst vorsichtig vorgehen müssen, wenn er sich nicht übernehmen und riskieren wollte, daß Feinde seine Verletzbarkeit ausnutzten.
Viele von der alten Garde waren gestorben, und neue Kräfte traten auf den Plan. Trotz ihrer zweifelhaften Rolle hatte die Partei des
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