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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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etwas, dem man nicht widerstehen konnte, und die Tendenz, unangenehme Fragen zu stellen. Beides waren Eigenschaften, die bei einem zukünftigen Berater von großem Wert waren. In Anbetracht ihrer guten Meinung von Lujan und seiner Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen, meinte Mara: »Es klingt, als hättet Ihr für mich bereits vorgefühlt. Ich ergebe mich besser Eurer größeren Weisheit.«
    Sie hielt die Hand empor und beendete damit die Diskussion. »Schickt nach Saric und beginnt mit der Ausbildung, wie Ihr sie für nötig haltet.« Sie wollte sich erheben und erinnerte sich erst jetzt an das Pergament in ihren Händen. »Ich muß Jiro einen Brief schreiben.« Sie wandte sich hilfesuchend an Kevin. »Wirst du mir helfen?«
    Der Midkemier rollte mit den Augen. »Ich würde lieber mit einer Reih spielen«, gab er zu, doch er folgte seiner Herrin sofort, als sie den Raum verließ. Keyoke blieb noch einen Augenblick, um der alten Frau rasche Besserung zu wünschen; seine Höflichkeit wurde mit einem Fluch erwidert. Als Mara, Kevin und der Kriegsberater den Korridor zurückschritten, folgte ihnen das Geräusch von Nacoyas Husten.

    Chumaka, Erster Berater von Lord Jiro von den Anasati, war am Ende der Nachricht angelangt. Ringe aus poliertem Perlmutt blitzten an seinen kurzen Fingern auf, als er das Pergament wieder zusammenrollte und seinen jungen Herrn mit neutralem Blick ansah.
    Jiro saß in aller Bequemlichkeit in der großen Halle der Anasati und starrte ins Leere. Seine wohlgeformten Hände trommelten auf den Boden neben den Kissen, und der Klang hallte in dem traditionsreichen Raum mit seinen pergamentverkleideten Türen und einer jahrhundertealten Holzbalkendecke, deren polierter Glanz sich im Parkettboden widerspiegelte, leicht nach. An den Wänden hing eine Sammlung von der Sonne gebleichter
    Fahnen, viele davon die Trophäen bezwungener Feinde, und auf sie schien sich der Blick des neuen Herrn schließlich zu konzentrieren. Er setzte zu einer gleichgültig scheinenden Frage an. »Was haltet Ihr davon?«
    »So merkwürdig es auch ist, Mylord, ich halte die Botschaft für aufrichtig.« Chumaka bemühte sich um Klarheit. »Wenn auch keine Freundschaft zwischen Eurem Vater und Lady Mara herrschte, so verband sie schließlich doch eine gegenseitige Achtung.«
    Jiros Finger waren jetzt ruhig. »Vater besaß die glückliche Fähigkeit, die Dinge so zu sehen, wie es für ihn am besten war. Er hielt Mara für schlau, und dadurch gewann sie seine Bewunderung – Ihr solltet das besser als jeder andere wissen, Chumaka. Die gleichen Eigenschaften gaben Euch Eure Position.«
    Chumaka verbeugte sich, obwohl in Jiros Stimme kein Lob enthalten war.
    Jiro fingerte an seiner bestickten Schärpe herum, mit ausdruckslosem Gesicht in Gedanken versunken. »Mara will uns entwaffnen. Ich frage mich nur, warum?«
    Chumaka wägte den Tonfall seines Herrn sorgfältig ab. »Wenn man die Angelegenheit auf nüchterne Weise betrachtet, Lord, könnte man zu folgendem Schluß kommen: Mara glaubt nicht, daß es einen wirklichen Grund für einen Konflikt zwischen Eurem und ihrem Haus gibt. Sie legt nahe, daß es Anlaß für mögliche, beiderseitig förderliche Verhandlungen geben könnte.«
    Trotz aller Vorsicht entrüstete Jiro sich. »Keinen wirklichen Grund?« Seine schönen Gesichtszüge versuchten, den unsinnigen Wutanfall zu verbergen. »Ist der Tod meines Bruders kein Grund?«
    Chumaka legte die Schriftrolle so vorsichtig auf einem nahen Tisch ab, als würde er auf einem seidenen Faden balancieren. Es war heiß und stickig in dem Zimmer, und wider Willen schwitzte er. Buntokapis Tod war eine Ausrede, das wußte er nur zu gut. Die Brüder hatten sich als Jungen immerzu gestritten, unaufhörlich hatte Bunto den weniger athletischen Jiro geärgert
    und gequält. Nicht einen Tag hatte er vergessen, daß Mara ihn übersehen und Bunto als ihren Ehemann ausgewählt hatte, auch wenn die Entscheidung nicht aufgrund seiner Fähigkeiten, sondern seiner Fehler gefallen war. Sie hatte dem besseren Mann den Narren vorgezogen, weil sie ihn ausnutzen konnte; doch dieser Unterschied bedeutete gar nichts, wenn es um Kindheitsrivalitäten ging. Bunto war zuerst Herrscher gewesen, wie vergiftet der gewonnene Preis auch gewesen sein mochte – und unabhängig davon, daß nun schließlich Jiro den Mantel der Anasati trug. Die Wunde eiterte weiter, denn der junge Mann nährte den alten Groll der frühen Kinderzeit. Obwohl Jiro jetzt auf dem Platz

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