Zeit des Aufbruchs
schlang sich das Hemd um die Schulter und folgte ihm. »Die Sklaven wurden in einer Kultur befreit, die eine solche Freilassung nicht gestattet. Den Gerüchten zufolge, die von flußaufwärts kommen, leben die Männer ganz normal in der Heiligen Stadt, tun dies und jenes, aber sie sind Freie.«
Patrick hielt in der Arbeit inne. »Wenn ein Mann hier entwischen und den Gagajin hinauf –«
»Nein«, sagte Kevin schärfer als beabsichtigt. »Das war nicht mein Gedanke. Ich will nicht als Flüchtling leben. Ich klammere mich lieber an die Idee, daß das, was einmal geschehen ist, sich vielleicht wiederholen kann.«
»Darfst du ein Schwert tragen?« fragte Patrick bitter.
»Nein, und das ist für mich der Punkt. Du siehst es nicht richtig. Du rettest die Mistress, schön und gut, und wenn die Gefahr vorüber ist, heißt es wieder Sklave sein.«
Er hatte einen wunden Punkt berührt, und Kevin ließ seine Wut an einem Unkraut-Stengel aus; dann fluchte er, als er sich wieder schnitt.
»Gib’s auf, alter Freund.« Patrick war jetzt verärgert. »Die Wichte sind so stark wie ihre Pflanzen, wenn es darum geht nachzugeben. Zeig ihnen die Möglichkeit zur Veränderung, und sie wählen den Selbstmord.«
Kevin stand auf. »Doch die Erhabenen stehen außerhalb der Gesetze. Der Kriegsherr, ja selbst der Kaiser darf ihnen nicht widersprechen. Vielleicht kann jetzt, da ein Magier Sklaven befreit hat, ein Lord entgegen der Tradition das gleiche tun. Doch wie auch immer, wenn sie dich wegen eines Fluchtversuches hängen, bist du tot – und das ist nicht die Freiheit, die ich meine.«
Patrick ließ ein bitteres Lachen hören. »Das ist wahr. Also gut, ich werde noch ein wenig warten. Aber nicht mehr sehr lange, das sage ich dir.«
Kevin war zufrieden mit dieser Antwort, wenn auch etwas verstimmt, weil Patrick ihm unverblümt einige dornige Tatsachen unter die Nase gerieben hatte. Er warf das Hemd über die Schulter, sammelte das welkende Unkraut ein und warf es auf den Haufen beim Zaun. Seine zerschnittenen Hände brannten, doch seine Gefühle schmerzten stärker. Die übrigen Kameraden schenkten ihm wenig Beachtung, als er auf seinem Rückweg an ihnen vorbeikam. Auch er bemerkte sie kaum, denn er erinnerte sich bereits wieder an Maras Lachen, wie es vom Garten herübergeklungen hatte, wo sie mit Hokanu saß.
Die Mittagshitze trieb Mara und Hokanu aus dem Garten in ein wenig benutztes Zimmer im Herrenhaus, eines, das seit der Zeit ihrer Mutter unverändert geblieben war. In dem luftigen Raum mit den pastellfarbenen Kissen und den Gaze-Vorhängen nahm das Paar ein leichtes Mahl zu sich, während ihnen von einem Sklaven mit einem Fächer aus Shatra-Federn kühle Luft zugefächelt wurde. Hokanu hatte seine Rüstung mit einer leichten Robe vertauscht, die seinen ansehnlichen Körper zur Geltung brachte. Die Übungen während der Zeit im Feld hatten seiner geraden Haltung noch feste Muskeln hinzugefügt. Er trug kaum Ringe und nur eine Kette aus Corcara-Muscheln, doch die einfache Kleidung und der schlichte Schmuck unterstrichen lediglich seine natürliche Eleganz. Er nippte an dem Wein und nickte. »Hervorragend. Lady Mara, Ihr gewährt eine außerordentlich liebenswürdige Gastfreundschaft.« Der Blick seiner dunklen Augen begegnete ihrem, nicht spielerisch oder neckend wie bei Kevin, doch es lag ein tiefes Geheimnis dann, das Mara beinahe zwang, es zu erkunden.
Unbeabsichtigt lächelte sie. Seine Gesichtszüge waren schön, ohne übermäßig zart oder ausgeprägt zu sein, und die Art, wie er ihr direkt in die Augen schaute, berührte sie tief. Mara spürte
spontan, daß sie diesem Sohn der Shinzawai vertrauen konnte. Das Gefühl war einzigartig, auch verwirrend nach den endlosen politischen Zweideutigkeiten, die die Beziehung zu anderen Edlen ihres Ranges erschwerten.
Sie wurde sich plötzlich bewußt, daß sie vergessen hatte, auf sein Lob zu antworten. Mara verbarg ein leichtes Erröten, indem sie etwas Wein trank. »Ich freue mich, wenn Euch der Wein schmeckt. Ich muß jedoch gestehen, daß ich die Wahl des Jahrgangs meinem Hadonra überlassen habe. Er hat einen unfehlbaren Instinkt dafür.«
»Dann fühle ich mich besonders geschmeichelt, daß er Euren besten gebracht hat«, sagte Hokanu weich. Als er sie betrachtete, schien er durch die Art, wie ihr Haar aufgesteckt war, hindurchzublicken; er sah mehr als den Schnitt ihres Kleides. Mit einem Einfühlungsvermögen, das dem Arakasis sehr ähnelte, berührte er ihr Herz.
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