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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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verstand er einfach nicht, wie ein Mensch sich und seine Wünsche so ganz und gar zugunsten eines anderen aufgeben konnte, so wie sie es tat.
    Dorothea hatte inzwischen wieder aufgeschlossen, sie ritt nun neben ihm. Der Weg war etwas breiter geworden, und ihr Zelter hatte sich wieder beruhigt. Sie sprach noch immer nicht. Das war nun wirklich eine angenehme Seite an ihr. Er mochte Frauen nicht, die ständig redeten und einen Mann in seinen Gedanken störten. Fast liebevoll betrachtete er sie.
    »Komm, Liebste, sei tapfer, wir haben es bald geschafft.« Er lächelte seiner Frau noch einmal aufmunternd zu, so warmherzig er konnte. Er hatte diesen Blick lange geübt. Schon bei seiner Mutter. Dieser Hure. Dorothea strahlte dankbar zurück.
    Seine Mutter. Manchmal hatte er sie sogar bewundert. Sie hatte es verstanden, die Männer um den Finger zu wickeln. Zumindest, solange sie noch jung und schön gewesen war: die hilflose, trauernde Witwe eines früh verstorbener: Bäckermeisters. Immerhin hatte er es einem ihrer zahllosen Liebhaber zu verdanken, dass er etwas aus sich hatte machen können. Dieser hatte den Sohn seiner Geliebten sogar in seinem Testament bedacht und es ihm so ermöglicht, sich den Studien der Theologie zu widmen. Er war Pfarrer gewesen. Vielleicht hatte der Alte gehofft, so dem Gericht Gottes und dem Fegefeuer zu entgehen. Leimer lachte trocken in sich hinein.
    Doch am Ende war seine Mutter im Armenspital elendig an der englischen Krankheit krepiert. Er sah das Bild vor seinem inneren Auge, als wäre es gestern gewesen. Die ausgemergelte Frau auf dem Strohsack. Unter ihr nur gestampfter Boden. Neben ihr zahllose andere kotzende, stinkende, eitrige, ekelhafte menschliche Wracks. In seinem Kopf schrillten wie damals die Schreie des Irrsinns, die ihr zerlöcherter Verstand ihrem ausgemergelten Leib abpresste — unflätige Beschimpfungen, ein wildes Kreischen, das einfach nicht enden wollte. Sie hatten ihn jahrelang bis in seine Träume verfolgt, gellten in stillen Stunden in seinen Ohren. Er fühlte wieder den unbeherrschbaren Brechreiz von damals in sich aufsteigen und krümmte sich innerlich zusammen. Es war jedenfalls das Letzte, was er von Theresia Leimer gesehen hatte.
    »Komm, lass uns schneller reiten, dann wird uns warm. In gut einer Stunde sind wir in Konstanz. Denk einfach an das warme Feuer, das in der Herberge am Fischmarkt auf uns wartet, das heiße Bier, das dir Hände und Bauch wärmen wird.«
    Dorothea nickte müde. Unter ihren braunen Augen lagen dunkle Ringe. Aber wieder lächelte sie. Das Herz wurde ihr warm unter seinem Blick und bei seinen tröstenden Worten. Dieser Mann war jedes Opfer wert.
    Domherr Jakob Murgel musterte sein Gegenüber ungeniert. Der Mantel zeigte noch unverkennbare Spuren von Schlammspritzern, obwohl sich jemand offenbar hastig bemüht hatte, sie herauszubürsten.
    »So, also Ihr seid Thomas Leimer, der Mann, der die Äbtissin von Seggingen verführt und vom rechten Weg abgebracht hat. Und nun seid Ihr hier in Konstanz mit Eurer Metze und wollt meine Hilfe. Ein Empfehlungsschreiben, hm? Ihr seid ziemlich dreist.«
    Leimer nickte stumm und machte einen ironisch angedeuteten Kratzfuß. Er wusste, Murgel erwartete keine Antwort.
    Doch der Domherr sah die Nervosität sehr wohl, die Leimer hinter dieser Geste zu verstecken suchte. Gut! Für den Anfang sehr gut. Dieser Leimer war ein Mensch, der nur die Macht respektierte, keiner, der zu leicht errungene Gefälligkeiten zu schätzen wusste. Falls er ihm half. Jakob Murgel genoss die Situation in vollen Zügen. »Warum sollte gerade ich Euch helfen, wieder in den Schoß der Kirche zurückzukehren?«
    Leimer zögerte. »Ich ... hatte den Eindruck, Ihr wärt der Äbtissin von Seggingen nicht sonderlich gewogen. Und immerhin habt Ihr es auch mir zu verdanken, dass sie nun nicht mehr Äbtissin ist.«
    »Ein echter Christ liebt alle Seelen, auch die verirrten«, wies ihn Murgel salbungsvoll zurecht. »Außerdem tätet Ihr gut daran, nicht auch noch damit zu prahlen, dass Ihr eine gottesfürchtige Frau verführtet. Nicht nur, dass sie mit Euch die Ehe einging, sie kehrte dem rechten Glauben den Rücken ...«
    Der Domherr konnte sich gerade noch ein zufriedenes Schmunzeln verkneifen. Ein Mann, der diese hochmütige Magdalena von Hausen ins Verderben gestürzt hatte, weckte in der Tat gewisse Sympathien in ihm. Er würde ihr niemals vergeben und vergessen, dass sie ihm die kleine Katharina verweigert hatte. Noch heute regten

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