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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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musterte. Eine Sekunde nur. Dann wandten sich die Männer ab und gingen in die Stube.
    So war das also! Mein Gott, nun lebte sie schon so viele Monate im Haus der Rischachers. Aber sie hatte nichts gemerkt, sich nie Gedanken über die religiöse Einstellung der Familie gemacht. Hatte einfach in den Tag hineingelebt wie ein kleines naives Mädchen. Jetzt ergab alles einen Sinn ... Das unerwartete Bekenntnis von Magdalena von Hausen zu ihrer reformatorischen Vergangenheit vor der Abreise. Und warum sie sie gerade hierher geschickt hatte. Die so andere Atmosphäre in diesem Basler Bürgerhaus. Die vielen Gäste, die immer kamen und sich dann mit dem Hausherrn in die Stube zurückzogen. Die merkwürdigen Blicke, die verstummenden Gespräche, wenn sie den Wein brachte. Katharina biss sich auf die Lippen. Sie trauten ihr also nicht. Warum nur? Die Rischachers mussten doch wissen, wie glücklich sie in diesem Haus war. Nie würde sie diese Familie verraten. In Gedanken versunken, schnitt sie Scheibe um Scheibe des noch warmen Holzofenbrotes ab. Sie hatte es erst vor einer Stunde aus dem Ofen geholt.
    »Katharina ...« Genoveva musterte das stumme Mädchen von der Seite. Sie ahnte, was in ihr vorging. »Jetzt hör auf, Brot zu schneiden. Wir müssen keine ganze Kompanie versorgen, sondern nur zwei hungrige Männer. Auch wenn ich zugeben muss, dass meiner einen gesunden Appetit hat.« Genoveva lachte. »Und umklammere das Messer nicht, als ob du mich ermorden wolltest. Wir sind keine bösen Menschen, wie du vielleicht denkst. Deine Reaktion verwundert mich, muss ich sagen. Ich habe dich in den letzten Wochen und Monaten beobachtet und dachte eigentlich, dass du unsere Meinung darüber teilst, dass sich die Dinge ändern müssen. Katharina, schau mich an. Sollten wir uns so in dir getäuscht haben?«
    Abrupt hob Katharina den Kopf und sah direkt in Genovevas dunkelbraune Augen. »Das ist es nicht«, presste sie mühsam hervor. »Warum habt Ihr mir nicht getraut? Was ist an mir, dass man mir nicht trauen kann? Habe ich ein Mal auf der Stirn? Hängt es mit meiner Herkunft zusammen? Wisst Ihr vielleicht etwas darüber? Niemand sagt etwas.«
    Genoveva schlug die Augen nieder und schwieg eine Weile. Dann sah sie Katharina an. »Nein, es hängt nicht mit deiner Herkunft zusammen. Darüber weiß ich nichts. Magdalena hat mir nie etwas erzählt. Sie meinte, es sei besser so. Dass wir nicht offen mit dir gesprochen haben, hat andere Gründe. Siehst du, es ist gefährlich in dieser Zeit, sich zum reformierten Glauben zu bekennen. Die Kirche ist schnell bei der Hand mit einer Verurteilung. Und mit dem Scheiterhaufen«, fügte sie leiser hinzu. »Außerdem müssen wir auf Magdalena Rücksicht nehmen. Auch wenn es fast ein Tagesritt von Basel nach Seggingen ist, die Nachrichten verbreiten sich schnell. Eine Familie von Ketzern! Es war schwer genug für sie, 1524 das Tribunal heil zu überstehen. Doch sie hat eine Aufgabe zu erfüllen. Auf ihre Weise kämpft sie für unsere und ihre Überzeugungen. Als Reichsfürstin kann sie viel tun. Viel mehr als die einfache Magdalena von Hausen oder ich als Frau eines Tischmachers.
    Das dürfen wir einfach nicht gefährden. Deswegen haben wir geschwiegen und abgewartet. Das hatte nichts mit dir persönlich zu tun. Doch ich habe vorgestern mit Rischacher gesprochen. Ich weiß, wir können dir vertrauen.«
    Katharina zitterten die Knie. So vieles stürmte auf sie ein. Das, was sie eben erfahren hatte. Und dann dieser Mann, dieser Diakon mit dem durchdringenden Blick, den sie nie in ihrem Leben wieder vergessen würde. Sie nickte nur. Worte hatte sie keine.
    Genoveva beobachtete die Verwirrung des Mädchens, den Sturm der Gefühle, der sich auf diesem offenen, fast noch kindlichen Gesicht abzeichnete. Sie ging zu Katharina und nahm sie in die Arme. Sie spürte, wie der steife Rücken des Mädchens sich entspannte und sie sich kurz an sie lehnte. Das war außerordentlich für Katharina. Bislang war sie bei jedem körperlichen Kontakt eher zurückgezuckt. Auf ihre Weise hielt sie die Menschen auf Distanz, als wollte sie sich schützen vor der Gefahr, enttäuscht und verletzt zu werden. Arme Kleine!
    Doch die Nähe währte nur Sekunden. Dann löste sich Katharina aus der Umarmung von Genoveva. »Ihr hättet wissen müssen, dass ich Euch nie verraten würde. Das hättet Ihr schon lange wissen müssen.« Ihre Stimme klang ganz klein und traurig.
    Genovevas Herz wand sich bei diesen Worten. »Du hast Recht«,

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