Zeit des Lavendels (German Edition)
niederwalzen, was ihm in den Weg kam. Vor allem dann, wenn er etwas bedroht sah, das er liebte. Und der große Konz liebte seinen kleinen Thomas. Wie einst die Mutter hing der Junge ständig an den Fersen des Mannes, der es auch diesmal gutmütig geschehen ließ.
Alles in allem war es ein gutes Leben. Doch Katharina verbrachte die Tage wie in einer Art Traum. Eine dumpfe, dunkle Decke lag über allen ihren Gefühlen. Darunter verloren die Sonne ihre strahlende Kraft und die wilden Blumen auf den Wiesen ihre Farbe. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht davon befreien. So manche Nacht hielt Konz Jehle eine schluchzende Katharina in den Armen und versuchte, ihre schlimmen Träume wegzustreicheln. Am Tage sprachen die beiden nie darüber. Doch in Konz wuchs langsam ein mächtiger Zorn auf das Ereignis oder den Menschen, der Katharina das angetan hatte.
Die Dämmerung senkte sich über das Land. Es war Juli geworden. Der Juli des Jahres 1547. Katharina zündete eine Kerze an. Sie hatte noch viel Arbeit zu erledigen. Sie blickte hinüber zu Magdalena von Hausen. Die Äbtissin stand wie so oft am Fenster und schaute auf den Rhein. Katharina genoss für einen Moment die Atmosphäre des Friedens und den Geruch des Frühsommers, der durch das geöffnete Fenster strömte. Dann beugte sie sich wieder über das Pergament. Sie musste den Brief an den Abt von St. Blasien beenden. Da hämmerte es an die Türe.
Magdalena von Hausen zuckte zusammen. Katharina überkam eine böse Vorahnung. Lernschwester Mechthild, inzwischen noch ein Stückchen gekrümmter, stand vor der Türe. Neben ihr ein magerer, müder Mann.
»Was wollt ihr?« Ganz gegen ihre Gewohnheit war Magdalena von Hausen abweisender als sonst.
»Der Mann hat gute Nachrichten, Fürstin.« Lehrschwester Mechthild strahlte. »Jakob Murgel hat ihn geschickt, damit Ihr auch gleich davon erfahrt. Endlich hat Kaiser Karl, der Spanier, die Ketzer in ihre Schranken gewiesen.«
Katharina sah, wie Magdalena von Hausen bleich wurde. »Kommt herein«, forderte sie den Boten auf. »Und Ihr, Schwester Mechthild, sorgt dafür, dass für diesen Mann in der Küche etwas zu essen und zu trinken hergerichtet und ihm ein Lager bereitet wird. Er ist erschöpft.«
Mechthild schniefte widerwillig. Sie hätte zu gerne die Nachricht ganz gehört, die dieser Mann zu überbringen hatte.
Linkisch zog er ein versiegeltes Pergament aus seinem Gürtel und überreichte es der Äbtissin. Magdalena von Hausen nickte ihm freundlich zu. »Ich danke Euch für die Mühe. Wenn Ihr morgen aufbrecht, werde ich eine Antwort für den Bischof und Jakob Murgel bereithaben. Folgt jetzt Schwester Mechthild, sie wird sich um Euch kümmern.«
Erst als beide aus dem Zimmer waren, brach die Fürstäbtissin das bischöfliche Siegel und begann zu lesen. Nach einer Weile sank sie auf ihren Lehnstuhl und stöhnte.
»Was ist geschehen, hohe Frau?« Katharina war aufs Höchste alarmiert.
»Blut. Ströme von Blut. Alles, was die Reformation sich über Jahre hinweg erkämpft hat, alle Freiheiten des Glaubens, alles ist verloren. Oh Herr, was tust du nur mit deinen Gerechten! Aber hier, lies selbst.«
Katharina zog sich das Herz zusammen, als sie die Schriftzüge Murgels erkannte, der wohl im Namen des Bischofs schrieb. Von diesem Mann konnten keine guten Nachrichten kommen.
Gnädigste Fürstin,
Mitstreiterin im Kampf für den rechten Glauben,
es wird Euch freuen zu vernehmen, dass den Reformierten von unserem allergnädigsten Kaiser eine große Niederlage zugefügt worden ist. Eine, die es sehr wahrscheinlich macht, dass die Lästerer der rechten Lehre unserer heiligen römischen Kirche auch bald aus den Mauern unserer ehrwürdigen Bischofsstadt vertrieben sind. Denn wisset, der Schmalkaldische Bund ist endgültig zerschlagen. Nach dem überstandenen Kampf gegen die Türken und den Feldzügen gegen die Franzosen hat unser Kaiser seine gepanzerte Faust erhoben und sie mit aller Macht auf jene protestantischen Fürsten niederfallen lassen, die sich gegen die rechte Lehre in diesem Bund verschworen und damit gegen den Willen des Kaisers gehandelt hatten. Und der Herr hat seinen Streitern nun den gerechten Sieg geschenkt.
In der Schlacht bei Mühlberg gelang es den Kaiserlichen am 25. April 1547, Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen gefangen zu nehmen, einen der aufrührerischen, verderbten Führer des Schmalkaldischen Bundes. Diese Nachricht ist wohl längst schon zu Euch gedrungen. Doch
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