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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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zögerte.
    »Seht ihr, ich habe es euch ja gesagt. Sie traut sich nicht, uns zu antworten. Holt sie, holen wir sie uns!« Elisabeths Stimme peitschte auf die Menge ein. Die erste Reihe der Menschen schloss sich wieder und bewegte sich drohend vorwärts; Magdalena von Hausen hob beschwörend die Hände.
    Die Rettung für Katharina und ihre kleine Tochter kam von unerwarteter Seite. »Was ist hier los?« Die befehlsgewohnte Männerstimme brachte die Menge zum Stillstand. Hufgetrappel ertönte, die Menschen machten Platz für den Mann und sein Pferd. »Ich will sofort wissen, was das hier soll. Seid ihr toll geworden? Ich, Melchior Hegenzer von Wasserstelz, Präsident der Regierung der österreichischen Vorlande und Befehlshaber des kaiserlichen Regimentes zu Ensisheim befehle euch, mir sofort zu sagen, was ihr hier wollt. Du da, was ist hier los?«
    Der Angesprochene trat verlegen von einem Bein aufs andere. »Wir wollen uns die Hexe und ihre Satansbrut holen.« Die Antwort klang kläglich.
    »Welche Hexe, welche Satansbrut?«
    »Sie wollen Katharina und ihr Neugeborenes. Sie glauben, die Frau sei eine Hexe.« Magdalena von Hausen bemühte sich, ihrer Stimme einen ruhigen und bestimmten Klang zu geben.
    »Diese Katharina, die zu mir nach Ensisheim kam?« Magdalena nickte.
    Melchior Hegenzers Gesicht wurde noch finsterer, sofern das überhaupt möglich war. Dann lachte er plötzlich schallend. Die Menschen starrten ihn mit offenen Mündern an. »Na, da hat euch jemand einen ganz schönen Bären aufgebunden. Diese Katharina ist eine ganz normale Frau. Ich kenne sie. Ich habe schon so manche befragt, die als Hexe galt. Diese ist bestimmt keine. Geht also heim und schämt euch. Ihr macht euch nur lächerlich. Besonders jetzt, wo ein Gast in der Stadt ist. Da kommt sie ja schon.«
    Das Geräusch einer Kutsche, gezogen von einem Vierergespann prächtiger Rappen, ließ die Köpfe der Menschen herumfahren. Die Pferde trabten in den Alten Hof. Gespannt wartete jeder, wer denn aus der feinen Kutsche steigen würde.
    »Das ist aber ein großer Empfang für eine einfache Ordensfrau wie mich.« Ruhig betrachtete Agatha Hegenzer von Wasserstelz die Menge, ehe sie aus der Kutsche stieg. Dann ging sie zu Magdalena von Hausen und nahm sie herzlich in den Arm. »Es ist schön, Euch zu sehen. Auch wenn es unter so traurigen Umständen geschieht. Mein Bruder und ich haben Nachrichten für Euch. Eigentlich wollten wir zuerst ins Stift. Doch nun sollt Ihr es als Erste erfahren.«
    Magdalena von Hausen nickte. Es konnte nur einen Grund geben, warum Melchior Hegenzer seine Schwester hierher gebracht hatte. Ohne einen weiteren Blick auf die Menge führte sie die schlanke Nonne im Habit der Dominikanerinnen ins Haus.
    Schon am nächsten Tag hatte sich die Neuigkeit in der ganzen Stadt herumgesprochen. Agatha Hegenzer von Wasserstelz sollte die neue Äbtissin des Stiftes werden. Zumindest war das der Wunsch des Bischofs von Konstanz. Doch die Erwählte hatte sich ausbedungen, ihre neue Wirkungsstätte erst einmal kennen zu lernen, ehe sie sich entschied. Der Bruder hatte sie nach Seggingen begleitet. Der kaiserliche Rat war auf dem Weg nach Konstanz. Er gehörte zu der Kommission, die dort wieder die alte, die gute Ordnung herstellen sollte.
    Das drängte sogar die Gespräche über die Hexe in den Hintergrund. Was war das für eine Frau, diese asketisch wirkende Nonne mit dem herben Gesicht? Würde sie wirklich die neue Fürstäbtissin werden? Würde sie das Bestehen des Stiftes sichern können? Außerdem, wie sollte eine Nonne der Dominikanerinnen Äbtissin von Seggingen werden?
    Weder von Schultheiß Marx Bürgin noch von einem der drei Chorherren war auch nur ein Sterbenswörtchen mehr zu erfahren. Selbst nicht, als die Kutsche mit Agatha Hegenzer drei Tage später wieder über die steinerne Brücke aus der Stadt rollte. Daneben ritt ihr Bruder, Melchior Hegenzer von Wasserstelz, ebenso hager, ebenso asketisch, gefolgt von seinen Männern. Die Sonne schickte einige Strahlen durch die dunk len Wolken, und der Regen hörte auf, als die Wimpel mit dem Wappen derer von Wasserstelz im Wind flatterten.
    Wieder zog Hoffnung in die Herzen der Menschen ein. Dass die Sonne gerade jetzt durch die Wolken gedrungen war, das konnte nur Gutes bedeuten.

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    D iese Tage der Todesangst haben mir für immer ihren Stempel aufgedrückt. Angst ist eine seltsame Empfindung. Sie lähmt und macht gleichzeitig völlig klarsichtig. Die winzigen Hände meiner kleinen

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