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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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hatte sie mir zur Hochzeit mit Konz Jehle geschenkt. Ich empfand eine gewisse makabre Befriedigung darüber, dass das Geld aus dem Verkauf des Geschenkes einer verratenen Ehefrau an eine verratene Geliebte Thomas Leimer zur Flucht verhelfen sollte. Doch ich zögerte den Zeitpunkt hinaus, an dem ich ihm das Geld gab, denn das würde das Ende unserer Begegnungen sein. Allein der Gedanke daran bewirkte, dass sich mir der Magen zusammenkrampfte. Aber ich wusste, es musste bald sein. Er konnte nicht länger in Basel bleiben. Schon mehrmals waren ihm die Häscher des Rates auf den Fersen gewesen, er konnte ihnen gerade noch entkommen. Ich verstehe bis heute nicht, warum sie niemals in dem Haus am Rheinsprung suchten. Als ich ihm die Münzen dann schließlich gab, war es zu spät. Für ihn und für mich.
    Ich werde diese Nacht nie vergessen. Ich küsste Thomas Leimer ein letztes Mal zum Abschied, verborgen im Eingang eines Hauses in der Nähe der Straße, in der die Rischachers wohnten.
    Da hörte ich ein Stöhnen, das klang wie das eines waidwunden Tieres, das weiß, dass es sterben wird. Als ich mich umblickte, schaute ich direkt in die Augen von KonzJehle, meinem Mann. Ungläubige, schmerzerfüllte, sterbende, zornige Augen. Ich sah die tiefe Trauer in seinem Blick, hörte, wie sein Herz brach. Und dann spürte ich den Zorn, diese unbändige Wut, beobachtete, wie sie sich in ihm zusammenballte. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück. Konz hatte seinen Blick jetzt auf Thomas Leimer gerichtet. Er wirkte eiskalt.
    Und für mich schien die Zeit plötzlich langsamer zu laufen. Ich sah, wie mein Mann die Faust ballte, wie er sie hob, Stück für Stück und Thomas Leimer mitten ins Gesicht schlug — mit aller Kraft eines verletzten, wütenden Stieres.
    Ich weiß nicht mehr, ob ich geschrien habe. Etwas geschah mit mir. Plötzlich ging alles so schnell. Ich wollte mich zwischen die beiden Männer werfen, aber da war es auch schon zu spät. Keiner von beiden schien mich noch wahrzunehmen. Thomas Leimer taumelte unter der Wucht des Fausthiebes. Ich sah, wie er unter seinen Mantel griff. Etwas blitzte im Schein des Halbmondes, der eben in diesem Moment hinter den Wolken hervorkam, und zuckte zur Brust meines Mannes. Es war eine Szene wie aus einer anderen Welt. Mein Mann sank langsam in sich zusammen. Schließlich lag er am Boden. Um ihn herum breitete sich immer mehr Blut aus, dunkle, wuchernde Flecken, erkennbar im Schein des Mondes. Ich beugte mich zu ihm hinunter, fiel schluchzend auf die Knie, mitten hinein in dieses Blut. Da drang das Geräusch von Füßen in mein Bewusstsein, vom Schritt eines Mannes, der läuft, so schnell es geht. Thomas Leimer war fort.

14
    E s dauerte eine Weile, bis sich Genoveva Rischacher aus der tiefen Bewusstlosigkeit des Schlafes emporgekämpft hatte. Dann endlich drang das wilde Klopfen an der Haustür in ihr Bewusstsein. Wahrscheinlich wieder jemand, der Katharinas Dienste als Heilerin brauchte, dachte sie und seufzte. Die Ärmste war in den letzten Tagen kaum noch zum Schlafen gekommen. Doch aus Katharinas Zimmer kam kein Laut. So stand sie seufzend auf und schlang sich den warmen Schal um die Schultern, der an einem Stuhl direkt neben dem Bett hing. Es war schon recht kalt für Ende Oktober, und sie fror in ihrem Nachthemd. Das Hämmern an der Haustür klang noch eine Spur dringender, und so eilte sie, so schnell sie konnte, die Treppe hinunter. Im Vorbeigehen sah sie, dass im Herd in der Küche noch Glut war. Es kam eine wohlige Wärme aus diesem Raum, und sie dachte sehnsüchtig an ihr molliges Bett. Da hörte sie die völlig hysterische Stimme von Katharina. Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass die Worte von draußen kamen. »Genoveva, um der Liebe des Himmels willen, mach auf, mach schnell auf.« Wieder das wilde, verzweifelte Klopfen.
    »Jesus«, murmelte Genoveva und drehte so schnell sie konnte den Schlüssel im schweren Schloss der Eichentüre. Noch im Öffnen hörte sie ein Wimmern.
    »Himmel, Himmel hilf, er verblutet mir.«
    Genoveva stieß einen Schreckensschrei aus. Vor ihr stand Katharina, völlig außer sich, mit verzweifelt geweiteten Augen, die Hände und die Schürze mit Blut verschmiert. Ihr zu Füßen lag Konz Jehle, offenbar bewusstlos. Aus seiner linken Seite strömte in Brusthöhe das Blut. Katharina musste ihren verletzten Mann allein bis vor die Haustüre geschleppt haben.
    »Hilf mir, er muss sofort ins Haus, ich muss das Blut stoppen ...«

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