Zeit des Lavendels (German Edition)
Mann, mit dem man spaßen konnte. Der blinde Zorn machte diesen Hünen unberechenbar — aber auch verletzlich. Jetzt hieß es Ruhe bewahren. Er benahm sich viel zu auffällig. Hoffentlich hatte niemand seine wilde Flucht bemerkt. Thomas Leimer sah sich um. Nein, zu dieser Stunde schliefen die braven Basler Bürger friedlich in ihren Betten. Und die, die nicht schliefen, hatten ebenfalls etwas zu verbergen. Sie würden sich hüten, ihn zu melden.
Aber diese Sache war ernst. Sehr viel ernster als Bigamie. Thomas Leimer war sich wohl bewusst, dass die Herren des Rates nur darum auf eine energische Verfolgung verzichtet hatten, weil sie seine Frau Dorothea Offenburg schützen wollten. Trotz ihrer Mesalliance mit ihm. Er lachte bitter. Schließlich war sie einmal ein Mitglied der gehobenen Gesellschaft gewesen. Daran erinnerten sich noch viele. Nur darum hatten sie das Paar in Ruhe gelassen, ihnen stillschweigend Zuflucht im alten Haus am Rheinsprung gewährt und im Übrigen so getan, als wüssten sie von nichts. Dorothea verfügte immer noch über gute Beziehungen und alte Freundschaften. Obwohl sie schon lange keine reiche Frau mehr war. Keine, bei der es sich lohnte, zu bleiben.
Doch noch brauchte er sie. Sie mussten aus der Stadt. Denn mit Messerstechern waren die hohen Herren mit den gestärkten weißen Krägen weit weniger nachsichtig. Dorothea wusste viel über einige von ihnen. Dinge, die sie um jeden Preis vor der Öffentlichkeit verborgen halten mussten. Das würde ihnen für die Flucht nützlich sein. Er würde sie also erst einmal mitnehmen. Mal sehen, was dann kam.
Ein wenig Geld hatten sie ja vorerst. Was weiter notwendig war, würde Dorotheas Wissen ihnen bringen. Aber Dorothea hatte auch einen scharfen Instinkt. Es war nicht einfach, sie hinters Licht zu führen. Es hatte all seiner Überredungskunst bedurft, sie davon zu überzeugen, dass er niemals rechtmäßig an Magdalena von Hausen gebunden gewesen war. Doch am Ende hatte sie ihm geglaubt. Sie durfte auf keinen Fall von Katharina erfahren. Alles würde sie ihm verzeihen, alles mit ihm tragen, nicht aber seine Liebschaft mit diesem Mädchen.
Liebschaft, wie das klang! Ein wenig sogar nach Liebe. Lei-mer lächelte. Wenn er es recht betrachtete, war sie die einzige all seiner Buhlerinnen, an die er hin und wieder noch dachte, wenn sie schon längst Vergangenheit waren. Ihre wilde grünäugige Leidenschaft hatte ihm geschmeichelt, ihre bedingungslose Hingabe hatte ihm wohl getan.
Doch, dafür liebte er sie sogar. Ein wenig. Soweit er zu lieben vermochte. Er hatte ihr gegeben, was sie wollte. Die schönen Worte, die jede Frau vom Mann ihres Herzens so gierig zu hören wünscht. Je größer die Übertreibungen, je phantasievoller die Lügen, je leidenschaftlicher die Komplimente, umso besser.
Frauen waren einfach dumm. Warum war ihnen das, was sie hören wollten, immer so viel wichtiger als die Wirklichkeit? Selbst die Klügsten hatten schließlich nachgegeben. Auch die schwärmerische Magdalena war schwach geworden. Man musste nur ihren wunden Punkt finden und ihnen dann sagen, wonach sie sich sehnten, immer und immer wieder. Wenn er es recht bedachte, war es ein fairer Handel. Er gab ihnen, wonach sie sich sehnten, und die Frauen gaben ihm, was er brauchte.
In diesem Fall war es das Geld von Katharina gewesen. Bei Dorothea hatten ihn das Geld und ihre guten Beziehungen gereizt. Doch dieser Mann von Katharina, dieser wütende Hüne, mit dem war nicht gut Kirschen essen ... Auch nicht mit dem Rat von Basel, wenn es um Mord ging. Er musste aus der Stadt, so schnell wie möglich und weit weg von Vorderösterreich. Italien wäre vielleicht ein lohnendes Ziel. Er hatte noch einige gute Beziehungen im Vatikan aus seiner Zeit als Diakon.
Wenn er sich besonders reumütig gab, würde ihn die Kirche vielleicht ein drittes Mal in die Reihen ihrer Diener aufnehmen. Unmöglich war es wohl nicht. Er würde sich geißeln und weinen, sich die Kleider zerreißen und die Weisheit aller loben, die ihm dabei nützen konnten.
Jedenfalls waren die neuen Papiere gut vorbereitet, die ihn und Dorothea zu Menschen mit einer anderen Vergangenheit machten. Sie hatten ja beide damit gerechnet, dass sie eines Tages schnell würden fliehen müssen. Dorotheas »Freunde« hätten sie jedenfalls lieber heute als morgen aus der Stadt verschwinden sehen. Seine Frau wusste zu viel. Sie mussten auf jeden Fall fort. So schnell wie möglich. Ehe Dorothea von dem unseligen Messerstich
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